Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
Vom Netzwerk:
kleiner Altägypter,« meinte der Prior mit einem sinnenden Blick durch die scharfe Brille, »ein Profil ... im Grab Sethos des Ersten sehen Sie Ahnliches. Er ist weder stumpfsinnig noch ausschließlich backschichlüstern wie die anderen, sondern hat so eine – gewisse Anmut, trotzdem er, was ich gern zugebe, ein rechter Schmutzfink mit viel primitiven Instinkten ist und voll Aberglaubens steckt. Neulich brachte er seinen älteren Bruder und fabeltedabei von einem Schêsch Maghrabi – einem ›,westlichen alten Mann‹, – oder irgendeinem Pavian, von dem seine Mutter besessen sei, worauf denn dieser Bruder das Licht der Welt erblickt habe ... Der Unterschied frappierte mich: der Bruder ist ein Krüppel, ein dunkelbrauner Idiot, und Daûd – Sie erinnern sich gut! – ganz hell, von fast türkischem Teint. Mit jenem Dabbûs habe ich mich nicht lange abgeben können, denn er wäre mir fast ins Gesicht gesprungen. Aber Daûd: à la bonheur! – zuletzt kam er noch zu mir und bedankte sich in tadellosestem Französisch. Wenn er jetzt auch verdienen würde, sagte er, so bliebe sein Herz doch zur Hälfte hier; und dann machte er mir noch das Kompliment, ich sei ihm fast so lieb wie sein Fiki Ali-ibn-Mûsa – Sie kennen den alten Gauner! – Und er würde mich oft besuchen und mich umsonst auf seinem Esel reiten lassen. Ich soll keine Angst haben; er könne das schon so einrichten, ohne daß der Eselvermieter Wind bekomme!« Dies letzte sprach der Prior mit einer amüsiert anheimstellenden Miene.
    Ja, Daûd hatte jetzt alles, was sein Herz früher dumpf begehrt: er war am Ziel seiner Wünsche. Ein hellgelbes Hemd: wohlgemerkt, mit Safran gefärbt! – schlotterte um seinen Leib. Unter dem Hals war ein schmaler, blaugesäumter Ausschnitt, aus dem seine schlanke Brust, stets staubbedeckt, lugte: und der untere, gleichfalls gelbe Saum wurde von seinen hornigen Fersen in den Staub getreten und büßte bald genug seine Farbe ein. Ganz feine ockerfarbene Streifen hattedas Hemd; es war ein sinnfälliges Paradestück, und Daûd, der sich nicht schlecht darauf zugute tat, bildete nunmehr einen charakteristischen Farbfleck unter den Eseljungen, die sich nach dem Lunch um den besten Standplatz am Treppenaufgang des Winter-Palace-Hotels balgten. Es kam unserem Daûd außerordentlich zustatten, daß er jetzt der Treiber des ersehnten weißen Esels war – jenes trotz seinem Alter noch stämmigen und leistungsfähigen Tieres, das Jahre hindurch mit glockenreinem Gebrüll und geschmückt mit unvergeßlichen Zierarabesken durch seine Träume getrabt war. Wenn Daûd, an diese lebende, unwiderstehliche Folie gelehnt, wie ein Genrebild vor der Terrasse weilte, so gab es unter den flanierenden Fremden kurzes Bedenken, wer unter der schreienden, aufdringlichen Knabenhorde vorzuziehen sei. Dazu trug Daûd noch bei, verstärkte den Eindruck des Idylls, indem er einen unbeschreiblichen Gutturalschmelz in die Frage legte, die leise, lockende und verheißungsvolle Frage: »Donkey, Sir? Beautiful donkey?« – mit einem harmonisch gedehnten Fragezeichen am Schluß, das an Reiz die lauten Anpreisungen seiner Konkurrenten weit übertraf.
    Es hatte Kampf gekostet, daß ihm der Eselvermieter, ein rauher Berberiner mit einfachem Geschäftsgeist, gerade diesen Esel überließ. Aber Daûd trieb den humoristischen, fetten Knaben in der blauen Kelabije, den er früher so beneidet, durch festliche Proben von Sprachkenntnis, trotz dessen fassungslosem Widerstand, erfolgreich in die Flucht. Jener mußte sich von nunan mit einem kleinen schwarzen Durchschnittsstößer begnügen, was ihn mit großer Wut auf Daûd erfüllte. Ja, einmal hatte Daûd aus dem Hinterhalt heraus einen handfesten Stein an den Nacken bekommen. Doch die Zeit, die alles regelt, glättete auch diesen Zwist, ja, tönte ihn zu kühler Freundschaft ab.
    Daûd verdiente seine blanken zehn bis fünfzehn Schilling am Tag, denn er erfreute sich unter den ständigen Gästen des Hotels großer Bevorzugung, da er sie fließend zu unterhalten wußte und sein reger Geist drollige Bemerkungen zeugte, deren ein anderer der braven jungen Schreier nie fähig gewesen wäre. Was die antiken Bauten betraf, so hatte er sich längst eine geläufige Dragoman-Suada zu eigen gemacht; und wo er auf ein Gebiet geriet, auf dem er nicht sicher war, so hatte er eine bedeutungsvolle und interessierende Art, mit finsterer Braue zu lügen. Bisweilen mengte er auch, mit trockenster Sachlichkeit und in unwiderlegbarem

Weitere Kostenlose Bücher