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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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überließ.
    »Es sind Zigaretten, die der Khedive raucht«, erklärte er dem alternden Fellachen voll Emphase. »Du mußt es durch die Brust trinken, mein Vater; dann wirst du stark, und Umm-Dabbûs wird sich deiner erfreuen.« Zabal grinste und genoß. Der Rauch, blau und lieblich, beschwichtigte sein selten zufriedenes Herz und tauchte sein Wesen in eitel Toleranz. Umm-Dabbûs stahl sich ihr Quantum und tat es ihm gleich. – Beide sangen Segenswünsche auf den erstaunlichen Sohn.
    Der Vater Percys war ein rotgesichtiger, gedämpft cholerischer, gottlob aber leicht zu erheiternder Herr, der seine von einer anständigen Pension und einigem Vermögen durchwürzten Mußetage in reservierter Betrachtung der faulen Weltlage dahinbrachte. Daûd empfand einen maßlosen Respekt vor seiner Gestalt und gleichzeitig eine glänzende Sympathie, eben weil er Percys Vater war.
    Die übrigen Familienmitglieder Percys bestanden aus einem niedlichen Schwesterchen und einer säuerlichen Mutter – für Daûd die Quintessenz aller Reizlosigkeit, für Percy (zu des kleinen Arabers Verwunderung) das strikteste Gegenteil. Daûd empfand es als seltsam und schier unbegreiflich, daß der Vater, derrotgesichtige und lustige Herr, stets ein solches Weib um sich vertrug, ja, sie zu verhätscheln schien, wiewohl sie eine scharfe Art an sich hatte. Daûds stumme Fragen waren folgende: »Warum steckt er sie in so schöne Kleider? Sie kann weder tanzen noch Ful richtig zubereiten; ja, sie weiß vielleicht nicht einmal, daß es vier Methoden gibt, diese Speise schmackhaft zu machen.«
    »Warum nimmt er sie beim Gehen unter den Arm? Dadurch wird sie nicht fetter.«
    »Warum sagt er nicht dreimal: Du bist geschieden, und nimmt sich eine andere, die fett und vergnügt ist?« Ihm insgeheim die Scheidung vorzuschlagen, fühlte sich Daûd ermächtigt, weil er zufällig wußte, daß die Inglîz nur ein Weib bei sich haben, wiewohl das bei ihrem Reichtum herzhaft töricht war. Ja, Daûd hätte dem zigarettenspendenden Mr. John einen wohlassortierten Harem gegönnt, wäre ihm sogar bei der Auswahl herzlich gern behilflich gewesen. Denn nunmehr war er häufiger in dem bewußten Tingeltangel, pflegte sein Vergnügungsbedürfnis und leistete sich zuweilen sogar einen schlammigen Kaffee in einem gestielten Messingkännchen.
    »Warum tragen diese Fremden gepanzerte Hemden, die in die Haut schneiden, und weiße Röhren um den Hals, wenn sie vor dem Abendessen noch kurze Zeit barhaupt am Nil spazierengehen?«
    »Warum machen sie so ein großes Wesen davon, wenn die Sonne untergeht?«
    »Warum ist das nicht so, wie es natürlich wäre?«Percys Schwesterchen, Jane, war ein siebenjähriges blondes Mädchen, sehr quick und doch sanft, mit hoher, befehlender Stimme und beweglich wie ein Küken, wenn es, mit atavistischem Heißhunger begabt, soeben seine Eierschale zertrümmert hat und nun wild konsumierend einherrennt. In der Tat: sie aß beständig, wo sie ging und stand. Sie hatte immer einen kleinen Piaster in der Grübchenfaust und trug weiße Halbstrümpfe und ein gestärktes, mit Spitzen garniertes Kleidchen, dazu eine rotgrüne Schärpe, die auf dem Kreuz wie ein riesiger Schmetterling mit den Flügeln schlug, wenn sie lief, und sie lief viel. Sie stellte sich vor Abu-Zuggâbas, des Zuckermannes, Auslage hin, zückte ihren kleinen Piaster und bekam dafür, zärtlich in zwei hohlen, braunen Händen gesammelt, eine unerhört große Menge Süßigkeiten ausgefolgt. Daûd machte sich bei ihr beliebt, indem er ihr rosa Stangen zum Lutschen verschaffte, auch Nougat und Vanillemandeln, die sie leidenschaftlich gern aß. Außerdem ließ er sie rittlings reiten, wiewohl die säuerliche Frau dies aus dunklen Gründen zu hindern trachtete. »Alle Weiber reiten rittlings«, dachte Daûd. »Die Weiber der Inglîz tragen lächerlich enge Röcke, darum können sie die Beine nicht auseinander bekommen.« Jane konnte das noch unbeschadet ihres Kleidchens. (Manchmal machte sich Daûd noch ganz andere Gedanken über die Nachteile der engen Röcke bei den Weibern der Inglîz.)So war seine Anschauung ein wunderliches Gemisch von Moquerie und Bewunderung. Alles in allem konnte er nicht verhindern, daß all seine Gefühle unter dem geheimen Diktat eines dumpfen Neides standen.
    Zuweilen, wenn er draußen wartete und die Leute noch beim Tee waren, gelang es ihm, einen flüchtigen Blick in das Vestibül zu tun und eine Impression zu erhaschen, die ihn tief bewegte. Dort drinnen gingen

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