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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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Tonfall, Bruchstücke krassesten Aberglaubens in die atemlose Diktion ... er war eine Rarität von einem Cicerone, und es machte ihm spitzbübischen Spaß, seinen Kunden, insonderheit flachbrüstigen englischen Damen und deren zappeligem und oft leicht erschrockenem Nachwuchs gewagte Dinge aufzuhalsen. Derlei Reiterinnen kamen dann, von stetigem, wenn auch durch Skepsis gemildertem Gruseln angenehm geplagt, echauffiert zum Dinner und machten viel Aufhebens von dem originellen Knaben, der ihnen den Nachmittag so scharmant verkürzt ... Erhielt Daûd den vereinbartenPreis, so verstand er, während er die langen gebogenen Wimpern resigniert senkte, so sprechend zu lächeln, daß jene Damen, in dumpfem Bedürfnis, ihm sein belastetes Dasein zu erleichtern und voll großzügiger Unkenntnis des Münzwertes ihm noch die Hälfte des bereits Geleisteten zugestanden – wofür er sie dann mit einem niedlichen und zugleich frechen »Katachera« belohnte. Durchreisende Fremde, denen er in die Augen stach, kamen gar nicht an ihn heran, da er fast den ganzen Tag über gemietet war.
    Drei Viertel des Geldes mußte er, da er das fünfzehnte Jahr noch nicht überschritten, dem Vermieter und Besitzer abliefern; doch war dieser Abzug nicht allzu schmerzlich, da ihm die Trinkgelder verblieben. Zwischendurch, wenn er eine kleine Schlemmerei beabsichtigte, unterschlug er auch nicht ohne Geschick. Er gab wenig aus und häufte seinen Gewinst – der, schlecht gerechnet, sich in dieser Saison bereits auf etwa vier Pfund belief – unter einem Stein in unbelebter Gegend an. Das Bewußtsein dieser Wohlhabenheit machte sein Benehmen aus Selbstsicherheit zurückhaltend und aus Eitelkeit bescheiden – Eigenschaften, die ihm nützten, wenn er seinem Berufe folgte, in dem er mit knabenhaftem Vergnügen aufging. – – – – – –
    Eines Tages, als Daûd wie gewöhnlich an der Terrasse stand und einen noch imaginären Betrug auf seine praktischen Folgen hin berechnete, kam ein junger Engländer die Stufen herabgetänzelt, ein recht junger noch, denn er war höchstens so alt wie Daûd.Als die Drehtür dort oben sich wie gewöhnlich träg erblitzend öffnete, hatte Daûd mechanisch aufgeblickt. Dann, als er des Kömmlings gewahr ward, brachte er, mit eingeübter Bewegung, jene Positur hervor, die ihm erfahrungsgemäß Erfolg versprach. Er lehnte sich müßig an die Samtschabracke, den Kopf schläfrig geneigt, die Beine gekreuzt: kurz, er stellte das Bild. Es verfehlte auch in diesem Moment seine Wirkung nicht, denn der junge Engländer, der nur zu promenieren gedachte, ward von dem schönen Esel flugs gefesselt: ja, der Esel tat es ihm an. Er trat heran und streichelte die seidenweiche Schnauze; dann, in einem Atemzuge, saß er auf und schrie: »Go on!«
    Es war hübsch und sehenswert, wie er aufsaß. Er verschmähte die Steigbügel; ein einziger Druck der weißen Knie, und schon flog er elastisch hinüber, um sich mit einem herrischen Ruck auf dem Esel zu etablieren. Daûd erkannte das an und lächelte über seine ganze Person. Er keuchte anfeuernd und schrie: »He, he!« Der Esel bockte ein wenig, doch nach den ersten Ermunterungen ging sein bewährter Trab wie von der Spule gewickelt. Auch Daûd geriet in Trab und schlug weit ausholend und sachgemäß dem Tier zwischen die Hinterbeine, so daß der Staub in kleinen Explosionen in die Höhe ging. Den kargen Äußerungen des Reiters folgend, wurde die Straße nach Karnak gewählt, und der laufende Daûd machte sich über diesen neuen Kunden allerlei Gedanken, die von denen abwichen, dieihn sonst bei ähnlicher Gelegenheit zu beschäftigen pflegten.
    Denn er sah hier zum erstenmal einen Fremden seines Alters; und dies forderte ungestüm zum Vergleich heraus.
    Zunächst lief er im Staub hinterdrein, später aber, um den Reiter besser betrachten zu können, neben ihm her, wiewohl der Engländer durch Fersendruck und unablässiges Zungenschnalzen das Tier zum Galoppieren brachte. Aber Daûd, als guter Läufer, spürte gar nicht, wie seine Beine unter ihm arbeiteten, so sehr war sein Blick beschäftigt.
    Der Fremde trug einen Leinenanzug, schwarze Halbstrümpfe nicht ganz bis zur Mitte der leicht gebräunten Wade, und weiße Segeltuchschuhe. Auf dem Kopfe hatte er eine breitkarierte graue Mütze. Sein Gesicht war herb: über dem herzförmigen Mund mit der gehobenen Oberlippe thronte eine markante Nase; blasse Sommersprossen bedeckten die fein beflaumten Wangen, und unter den eng gekniffenen

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