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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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mitten unter den lärmenden Kerlen, mit denen Daûd sich trefflich unterhielt, wobei er sich wiederum auf der Höhe fühlte, denn Percy verstand naturgemäß nichts von all den herrlich obszönen Scherzen, die man wechselte, während das Wasser in der Schleuse fiel. Als die Bootsleute sich nun ins Ruder legten, atmete Percy auf, denn nun ward mehr gesungen als gesprochen. Man grölte zum Takt der grobgezimmerten Ruder, die in geteerten Strickringen knirschten, und der Gesang der arbeitenden Männer, an dem Percy sich zunächst unsicher, dann aber mit kräftig gellender Stimme beteiligte, hallte bis zu beiden Ufern herüber:
    Heli – heli-sà Ja Mahamad, Ja habibi,
    worauf der Steuermann mit tieferer Tonfärbung den Refrain bellte:
    Ja Husên!!
    Eines Morgens, als Daûd wie gewöhnlich unten auf der Treppe auf Percy wartete, kam jener langsamer herab als sonst, als ob er mit irgendeiner Überlegung beschäftigt sei, und stellte sich müßig vor Daûd auf. »Wir werden heute nicht reiten,« sagte er, »wir werden überhaupt nicht mehr reiten, denn Daddy will nach Kairo zurück. Die Koffer sind schon gepackt. Wir müssen Abschied nehmen. Man zahlt dir und deinem Esel die Fracht nach Luksor zurück.«
    Er brachte dies alles geläufig hervor. Er war sich durchaus schon im reinen über alles, irgendwelches Zartgefühl machte ihm kein Kopfzerbrechen, und er nahm die Hände dabei nicht einmal aus den Taschen heraus. Während er die Wirkung seiner Mitteilung gelassen abwartete, sah er sich, einen Kaugummi zwischen den Zähnen, noch einmal gelassen im Garten um. Doch die Wirkung war elementarer, als er sie sich vorgestellt.
    Daûd trat heran, exaltiert, mit aufgerissenen Augen, deren schwarze Pupillen funkelnd in bläulichem Tränenwasser schwammen, und mit allen Anzeichen einer rasenden Wut. Doch diese Erschütterung zerbrach nach drei Schritten seinen sensiblen Körper: er sank auf den Boden und blieb, an Percys Beine geschmiegt, wortlos sitzen. Er wurde zusehends kleiner und kleiner, wie ein in heißem Schmerze schmelzendes Häuflein Elend. Sein Hirn erfaßte in diesem Augenblick nur das eine, ungerecht, blind und dumpf, und doch war es für ihn der Kern der Sache: »Nun schüttelt er mich ab – – pah, was liegt ihm daran, und ich habe ihmdoch gut gedient! Nun erhalte ich den Fußtritt ...« Ah, welch ein ohnmächtig brennender Haß, welch ein fressendes Gift war in seiner Seele! Blitzschnell ward ihm klar: »Dieser ist ein Hund; warum habe ich ihn damals im Hause des Teufels nicht im Sande stecken lassen! Warum!!« Ja, jetzt war die Viper ein erstes Mal lebendig, fauchend lebendig!
    Personal, das im Garten Korbstühle gruppierte, schlug Gelächter auf. Hotelgäste aller Art, die vorüber kamen, amüsierten sich. Das kleine Bild, das die Knaben unfreiwillig stellten, hatte jedoch keine lange Dauer, denn Percy zerstörte es, indem er zur Treppe ging. Er war peinlich berührt, zugleich aber auch ergriffen von der wilden Anhänglichkeit, die sich ihm hier ein erstes Mal so schrankenlos offenbarte.
    Er ging zu seinem Vater und besprach die Sache mit ihm. Mr. John öffnete die Jalousie und sah Daûd drunten liegen mitten in der Sonne, zusammengekrümmt wie ein Tierchen; die Hände hatte er im Nacken verschlungen und die Stirn im Sand vergraben. Zuweilen schlug er mit den Füßen aus.
    Nach längerer Zeit kam Percy herunter und teilte Daûd mit, daß man beschlossen habe, ihn mitzunehmen.
    Als Daûd begriffen hatte, was die Zukunft ihm bescheren werde, spreizte er die Finger, wiegte den Kopf vor übergroßer Freude langsam hin und her und sprach dann so recht aus der Tiefe seiner vom Schluchzen noch nervös zitternden Brust hervor: »Mâschallâ!« – mit schwerster Betonung auf der ersten Silbe ... miteiner Betonung, als entsteige ein Orgelton ganz unvermutet einem zarten Instrument, das bisher nur kindlich helle Töne kannte: sonor, schweren Klangs und wuchtig. Als er solchermaßen sein Entzücken bezeigt hatte und nun sah, daß Percys herzförmiger Mund sich zu einem gönnerhaften kleinen Lächeln verzog, legte er die hellbraune Hand mit einer gewissen rührenden Unbeholfenheit an dessen Wange. Von dort ab ließ er sie auf die Schulter gleiten, während in seinem Blick die Verwunderung noch lange lebendig blieb.
    Am folgenden Tag langte Daûd in Luksor an und ging durch die Felder seinem Dorfe zu. Der schmale Pfad vor ihm zog sich braun dahin durch das inzwischen dunkler gewordene Grün. Die Memnons-Kolosse, umzittert von

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