Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
Vom Netzwerk:
richtige Uniform, schier üppig und gleichzeitig gesittet kokett. Es waren zwei grüne arabische Hosen, etwas oberhalb der Knie durch Ziehschnüre verschließbar, und darüber ein braungestreifter, halbseidener Rock mit bestickten Säumen. Dieser Rock hing nicht, in läppischer Formlosigkeit, bis zu den Fußknöcheln, sondern war knapp und kurz, so daß Daûds behende Beine freien Spielraum hatten. In der Hüfte ward der Rock durch eine braune Leinwandschärpe gehalten. Auf den Kopf stülpte man ihm einen dünn mit Kork gefütterten Tarbusch mit einer Quaste aus zarter Seide. – So ausstaffiert, war Daûd hotelmöglich und zum mindesten auf die gleiche Stufe mit den anderen Domestiken gerückt.
    Er erkannte sich selbst kaum wieder. Er trat an den schmalen Spiegel, der neben dem Speisenaufzug in die Wand eingelassen war. Und aus dem Spiegel sah ihn nunmehr ein prinzlicher Knabe an, die Idee seiner selbst, die Idee von früher, die nun überreich in Erfüllung ging. Die kräftige Farbe seiner neuen Tracht stand ihm gut zu seiner blaßbraunen Haut, zu seinem von flinken Gedanken durchwitterten, ovalen Gesicht und zu der zierlichen Schwermut seiner Wimpern. Auf seinen Wangen zeigte sich ein leichtes Rot, das sich seltsam anmutig ausnahm, wie die nachgedunkelte Fruchthaut einer überreifen Marille ...Was weiß einer von den wilden Tauben am Nil!
    Man schießt sie mit Schrot, und sie fallen wie Blei von den Fikusbäumen ... Sie beben und bluten noch; ihre Augen bleiben bis zum Tode blank: kurze Zeit noch, bis ihre Schwingen und das warmweiche Muskelspiel an Brustbein und Keulen steif und hölzern werden. Dann sinkt ein violettes Häutchen über den heiteren, schwarzen Blick, der Kopf pendelt, und der rote Schnabel öffnet sich halb ... Oh, das zarte Leben ist bald geraubt: Aber was weiß einer davon, wie leicht sie fliegen, wie schlank und behend sie die Luft durchpfeilen, welch ein leises, stolzes Flügelknattern sie dahinschnellt, wie ausdauernd, wie zierlich sie waren und welch ein Rhythmus das wundervoll gebaute Tierchen beseelte!
    Und wer kennt die Störche, die Störche über dem Nil!
    Als die Knaben sie sahen, zogen sie in ovaler Ordnung, wie eine flüchtige Verfinsterung des droben lohenden Lichtes, in riesiger Höhe langsam dahin. Das Geschwader (es waren an dreihundert Vögel) bettete sich auf die Luft, mit entbreiteten Schwingen. Sie flogen nicht – sie trieben dahin. Kein Flügelschlag war wahrnehmbar. Ein stummes Gesetz kettete die Tiere aneinander, ein stummer Rhythmus der Konzentration. Der große Haufe zog wimmelnd, doch als Ganzes betrachtet, wie eine leichte, zartgetriebene Daune durch das Blau. Sie waren eine einzige Macht. Ihre Losung hieß: Norden, und diese Richtung behielten sie ingerader Linie bei, unter sich den schlängelnden, metallisch blitzenden Nil, der ihre Sehnsucht als ewiger gewaltiger Wegweiser förderte...
    Morgen waren sie in Rosette oder Alexandrien – übermorgen schon schwebten sie, die flachen Schwingen gleich Schirmen entbreitet, über dem Mittelländischen Meer und sahen die großen Ostasiendampfer wie weiße Milben durch das schwarze Blau der Wasserwüste kriechen. Das waren die Störche: O Gedanke, den ihr, o Schottlandstörche, verkörpert! Ihr habt etwas Weltumspannendes, etwas Länderverkittendes, etwas Brausend-Allgemeines, ja Internationales: ihr erhebt euch in der Kalahari, am Tschadsee, am Tafelberg, in fetter Wiesenpfründe des Kaps und überschwebt diesen riesigen Kontinent, diesen Klotz von Quadratmeilen, dies Ungeheuer, das Breitengrade frißt und gemästet ist von Sand, Steppen, strotzendem Tropentum und reich begnadeten Süßwassern – nur um eurer Sehnsucht willen, im Norden, ja im Norden Frösche zu fangen und auf dem Dach gleichgültiger Dorfkirchen eure verlassenen Nester des verflossenen Sommers zu bestellen!!
    In der Nähe des Stausees lagen die beiden, am Herzen jener klassischen Monotonie von Wasser und Granit nahe dem Weltwunder der halbvollendeten Barrage. Sie lagen unter einem Bestand von Rizinusstauden, durch deren rote, regelmäßig gekerbte Stämmchen der halbertränkte Tempel von Philae schimmerte,vergraben im Schatten der achtfach zugespitzten handgroßer Blätter, unter denen sich bläuliche Stachelkapseln rührten. Percy hatte sich schlank auf den zersprungenen harten Schlamm gebettet und träumte vor sich hin.
    Daûd, an seiner Seite, wälzte sich auf die Brust und starrte dumpf in den Riß, der gerade vor seinen Augen war. Tief in den

Weitere Kostenlose Bücher