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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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Hitze wie ehedem und immerdar, hielten Wache in ihrer wuchtigen Ruhe. Unendlicher Grillensang umschrillte den wandernden Daûd. Einmal, nachdem er die alte Seeumwallung von Birket-Habu überschritten, blieb er stehen und legte die Hand schützend über die Augen: Da lag das Dorf Naga-el-Kôm, und vor ihm, auf dem flachen Ackerland, bewegte sich ein blaues Fleckchen einem schwarzen entgegen: das konnten nur seine Eltern sein. Und jetzt hörte er, fern und doch deutlich, ein verworren singendes Geräusch, das sich von allen unterschied, einsam und eigenartig: süß vertraut, den Sang der Sakije, seiner Sakije.
    Eine Weile hielt er an ... Er sah an sich herab, fand sich prinzlich und ging, während die Eitelkeit beimSchreiten seine Hüften leicht hervorwölbte, sinnend durch das Feld. Pfadlos ging er und trat die Halme mit der nackten Sohle in den Grund. Klein und bunt kam er einher wie ein Träumchen. Und Zabal witterte ihn im Getreide und tat einen kräftigen, lang hinhallenden Fluch, ohne ihn zu erkennen.
    »Wer ist der«, vernahm Daûd, der ihn noch nicht mit den Ohren verstehen konnte, im Herzen – »wer ist der Kuppler dort, der Getreidezerstampfer, dies Hurenkind von drüben, das armen Mannes Saat zertrampelt? Oh, möchte er doch... oh, wäre er doch... Gott soll ihn strafen; ich werde ihn mit Steinen vertreiben, den Abkömmling von sechzig Hunden, den seine Mutter in der Eselskrippe warf...« Dies war der Sinn des langen Satzes, den die ferne Stimme als Begrüßung schrie.
    Daûd jedoch ging unbeirrt auf ihn zu; da erkannte ihn Zabal. Und da Daûd den Alten in letzter Zeit sehr verwöhnt hatte (mehr mit Naturalien zwar, als mit barem Geld, denn seit seiner letzten Entdeckung hatte er ein Haar darin gefunden, zu dem toten Kapital beizusteuern), so war die Begrüßung von einer gewissen Herzlichkeit getragen. Die Mutter kam etwas gebückt heran, streckte ihre runzligen Finger aus dem Wollbausch und prüfte zungenschnalzend Daûds neues Gewand.
    »Nunmehr, meine Eltern, folgt mir zum Dorf und zu unserer Behausung«, sprach Daûd. »Denn ich habe euch ein erstaunliches Ding zu berichten; mein Herz will ich öffnen und heraustun, was darinnen ist; undwenn ihr es wahrgenommen und ganz und gar verstanden habt, werdet ihr sein wie die Träumenden.«
    »Allah!« sprachen die Leutchen gemeinsam. »Wir folgen dir. – Was gibt es nicht, das noch wird, und wie ist die Welt voll von Neuem allerorten!« – Zabal warf seine Hacke hin, und Umm-Dabbûs deckte die Handmühle mit einem Sacktuchfetzen zu. – Da zögerte der Ton der Sakije und hörte plötzlich auf; die »Stecknadel« war herabgeklettert und schloß sich den Eltern an, die dem Knaben voll schwerer Neugier folgten. – In der Hütte angelangt, erzeugte Daûd eine gewisse Weihe, indem er seine Familie in einem Halbkreis um sich gruppierte und Zigaretten unter sie verteilte. Umm-Dabbûs gurrte vor Vergnügen, und der Rauch quoll schnell genug in bläulichen Wolken aus ihrer Kopftuchfalte hervor. Aus dieser Falte ragte der Arm mit der Hand, die das aromatische Röllchen hielt, wagerecht auf das Knie gebettet, wie ein einsamer Wegzeiger zum Glück. So saßen sie selbviert eine Weile schmatzend und stumm auf untergeschlagenen Beinen.
    Endlich sagte Daûd: » Salam alekum ! Heil sei über euch!«
    »Und über dir sei der Friede und Allahs Barmherzigkeit und sein Segen!«
    »Wie geht es euch?«
    » El-hamdu-lillâh ! – Wie soll es uns gehen! Es geht uns wie immer! – – – Doch was«, platzte nun Zabal heraus (und seine Neugier warf den Gang der Begrüßungsformeln über den Haufen), »ist derwerte Zweck deines Kommens, das gesegnet sei?« – Er hatte sich, seit Daûd in Bildung, Ansehen und Weitläufigkeit so hoch über ihn hinausgewachsen war, dem Knaben gegenüber einen respektvolleren Ton zu eigen gemacht.
    Daûd tat einen Seufzer und sprach: »Ihr wißt, meine Eltern, daß ich seit längerer Zeit bei diesen Inglîz diente, und ich fuhr nicht schlecht damit, Gott sei gepriesen. Nun ist es beschlossene Sache, daß sie mich mieten und nach Kairo mit sich nehmen, um jenen jüngeren Ungläubigen, den Sohn des rotgesichtigen Mannes, unsere erhabene Sprache zu lehren. Dies euch mitzuteilen, ist der Zweck meines Kommens.«
    Er schloß die Augen halb und fuhr geläufig, als habe er es wie eine Sure gelernt, fort: »Und da ich nun von euch scheide und ganz weggehe, und ihr mich (wenn anders Gott nicht ein Entgegengesetztes plant) eine lange Zeit nicht mehr sehen werdet,

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