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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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eines Befehls gewärtig ist.
    Auf Segelbooten, die stromaufwärts keinen Gegenwind hatten, setzte man nun samt dem Gepäck zur Insel Elephantine über. Daûd fungierte als einer derbevorzugten Gepäckträger. Sehr viel Genugtuung bereitete es ihm, daß er in dieser (immerhin intimeren) Eigenschaft vor eilfertig hinzustürzenden Boys, ja sogar vor einem Kawassen in rohseidenen Pluderhosen den Vorrang behielt. Die Familie verschwand, und Daûd durfte in der Küche von den Lunchresten schmausen. Sein gelbes Hemd war verfärbt und schmutzig; und dieser Umstand bewog das sonst mitteilsamere Personal, auf seine Bekanntschaft kein Gewicht zu legen. Es wurde ihm gestattet, sich einstweilen im Garten zu ergehen.
    Daûd trollte über den Krokettplatz und setzte sich dann in einen kleinen Hain von Bananenstauden. Die breiten, vom Wind zerschlissenen Blätter breiteten ihre kräftig gerippten Schirme über ihm aus. Schwarze blanke Hummeln fuhren mit großem Getöse der Schwingen darunter hin. Kleine bissige Ameisen höhlten sich ein Loch und schleppten, sich mit zitternden Fühlern verständigend, Körnchen nach Körnchen heraus; ihre Hinterleiber waren putzig, voll graziler Wichtigtuerei, in die Höhe gestreckt, und ihre emsigen Beinchen wirbelten ohne Pause.
    Winzige Bussolen waren sie, kleine Zentren intensivsten Lebens. Daûd bohrte mit seinen roten Fingernägeln in das Loch und zog sie schnell zurück. Nach einer flüchtigen Konfusion ging die Arbeit in gleichem Takt weiter, diese unbeachtete, ermüdend gleichgültige Arbeit. Und doch, siehe da, das Herz der Welt war darin ...Es war das Paradies auf Erden, und er liebkoste den schwarzbraunen Humus und füllte die rotgefärbten Handteller wollüstig mit ihm. So lag er eine Stunde lang; über sich hochdurchsonntes Grün, um sich die vielfältige Sicht gelbabzweigender Wege. Es blitzte bunt von Blütenfarben. Von der kleinen Orangerie, die gleichzeitig Blüten und Früchte trug (hellgelbe, schwammähnliche Kugeln von schwachem Geschmack), kam ein schweres Aroma, eine sinnbenebelnde sattsüße Duftwelle, und unfern regte sich, durchtränkt von Himmelsbläue, das zartgefiederte Laub eines Pfefferbaums im leisen Wind. Zwei weißgekleidete kleine Mädchen schossen durch den Gesichtskreis; und ein alter Graubart in seidenem Anzug schlich sich ruhevoll einer Bank entgegen.
    Nun kam Mr. John vorüber und entdeckte Daûd. »Dein Esel ist bereits mit der Bahn angelangt«, bemerkte er.
    Daûd erinnerte sich, daß sein Esel in den Viehwagen verfrachtet worden war. Wie war sein Esel stolz und heikel! Er fuhr mit dem weißgestrichenen Bahnzug, genau wie das wohlsituierte Volk, und die Railway-State-Company (unter der sich Daûd stets etwas wie ein fremdartiges Ungeheuer vorgestellt), beförderte ihn achtungsvoll wie jeden anderen zahlungsfähigen Passagier.
    Mr. John fuhr fort: »Und du siehst noch immer wie ein Schwein aus. Da wir dich mitgenommen, mußt du dich schon verschönern lassen. Also begib dich zumHairdresser, und begib dich flugs ...« und trotz heftigen Protestes ward die Haarhecke, die sich verfilzt und schmutzstarrend über Daûds Stirn erhob, samt dem Nabelschnur-Amulett zu einem Raub der Schere ...
    Der Hairdresser war ein Meister in seinem Fach. Er wohnte außerhalb der Aufgangstreppe in einem von Bougainvilla umsponnenen Häuschen, und die rotvioletten Ranken nickten vor dem Fenster, durch das der seltene Kunde zu entfliehen strebte. Der Hairdresser war mit Recht pikiert über den Auftrag, einen schmutzigen Eseljungen zu behandeln, und er erledigte die Sache sehr schnell. Mit der Zeit (das verzweifelte Gesicht Daûds im Spiegel vor Augen) empfand er ein schattenhaftes Wohlwollen, und mit einem gewissen Humor übergoß er den empörten Knaben zum Schluß mit einem wahren Sturzbad von Bayrum. Daûd schoß hinaus, noch triefend, und duftete wie ein Parfümladen. Der Hairdresser räumte jede Spur der Operation mit Sorgfalt hinweg, ja, er trieb sogar eine gründliche Desinfektion, denn Daûd gewährte wie alle seines Zeichens gewissen lebhaften Tierchen an seinem Leibe nachsichtige Unterkunft ...
    Daß er sich mit so großer Unbefangenheit kratzte, auch an Stellen, wo die Konvention Einspruch erhebt, hatte ihm Percy schon vorher einmal sehr deutlich untersagt. In der Folgezeit verschwanden nun die Ursachen jener Unschicklichkeit, denn es ward Daûd anbefohlen, sich gründlich zu behandeln; und hernach fuhr Percy mit ihm nach Assuan hinüber und erstandihm eine Tracht, eine

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