Der Sang der Sakije
herausgebrüllt – die Stimmen der Leute. Dort und ringsum behagte sich dies arme, bedürfnislose Volk an seinen tierischen Späßen;Daûd sah im Geist zum erstenmal durch all die Lehmwände tief hinein in die ungeschlachten Seelen – – das war die Welt, das war seine Welt!
Ein Hund heulte auf. Unter kreischendem Gackern flogen Hennen über die Gassen. In der Höhe knirrten die Rufe der weißen Geier, die von Der-el-Bari herüberflogen und zu dritt und viert aaslüstern über dem Dorfe kreisten.
Daûd ging langsam zur Türöffnung und sah die Gasse hinunter. Schmutzige, dickbäuchige Kinder vergnügten sich dort am Scherbenspiel; der First des schlechtgekalkten Schêschgrabes stand wie entrückt in der lodernden Bläue. Es war so still, so bienensang-, so grillenschreistumm, hitziger Dunst bedrängte die Felder, und üppigstrotzend zog sich ein Kranz von grünem Grund um den Sehbereich. Hoch und fern sang die selig zwitschernde Haubenlerche und wob ihr einsames, duldsames Lied in die weiße Sonnenstille des Tages. Und dieser Tag glich jedem beliebigen der früheren Tage, die ihm, in unabsehbarer Kette, gleich hitzig und gleich feierlich vorangegangen!
Mit plötzlichem Entschluß rührte Daûd an Stirn, Brust und Augen und schritt hinweg. Eine zögernde, bekümmert gemurmelte Frage verklang hinter ihm; doch er wandte den Kopf nicht zurück. Überall, wo er Leute sah, grüßte er mit großer Gebärde, und sie blickten ihm verwundert nach.
Als er an der Sakije vorüberkam, tat sie einen kleinen Laut, ein Knirschen in einer fragenden Klangkurve,und blieb dann wieder stehen. Der Büffel hatte sich gerührt und mit dem Nacken gezuckt ... und so entstieg dem Holzwerk jener verlorene Laut, der einzige, der Daûd nachklang, so als wäre bei seinem Weggehen etwas geborsten, als hätte etwas aufgehört, für immer, ganz und gar, und käme nie wieder.
Ein Wiedehopf strich quer vor ihm über den Weg ...
Zweiter Teil
Der Mann mit den Tieren
Daûd saß auf dem geschorenen Rasen im Volkspark zu Gezirê, und vor ihm saß das höhere Wesen und schwieg. Er war damit beschäftigt, Klarheit über das zu gewinnen, was er selbst, und Klarheit darüber, wo er war.
Mittlerweile saß er mit Jane, von dem lärmenden Kairo abgeschieden, in einem grünen, vielfältigen Asyl. Schüler der El-Ahzar-Moschee in grauen oder olivfarbenen Baumwollmänteln wandelten diskutierend vorüber. Gruppen von fetten Levantinerkindern lärmten. Ein Sonnenbruder mit einem schäbigen Tarbusch reparierte seinen Stiefel. Eine Klasse von französischen Knaben haschte und balgte sich unter Aufsicht zweier rotbärtiger Jesuiten, die schwarz im Schatten eines Feigenbaumes hockten und leise, vielleicht nicht ganz gottgefällige Gespräche führten.
Der Garten war wie ein Teppich. Die Farben überboten einander. Durch das gleichgültig graue Nadellaub der Kasuarinen und Tamarisken blutete das satte Karmin der Hibiskuskelche; im gelben Blütenflimmern der Nilakazien schimmerte das Lila der Bauhinien; Fächer-, Flaschen- und Kokospalmen schufen einen zarten Zusammenklang mit ihren lichtgrünen und dunklen,edelgefiederten Wedeln, deren Rhythmus an sonndurchfunkelte Wasserkünste gemahnte. Sykomoren und Fikusformen schlossen sich zu breiten Hintergründen; und süßer Duft von Jakaranda und Limonenblüte füllte den ganzen Garten. Jener große, hellbraune Falter mit schwarzweiß gescheckten Flügelspitzen, der zuweilen durch eine staubige Großstadtgasse wie ein kleines tropisches Wunder schaukelt, saß hier und da an den sprudelnden Löchern der Spritzschläuche, die sich wie riesige Schlangen durch das Gras ringelten.
Plötzlich brach das höhere Wesen mit seinem leisen Singsang ab und sah seinen Beschützer herausfordernd mit den hellgrauen strengen Augen an. Offenbar wünschte es nach Hause gebracht zu werden.
Hinter der Hibiskushecke, die den Garten umschloß, war ein unablässiges Geräusch gewesen, das nur gebrochen und leise in den Pflanzenfrieden gedrungen war. Als Daûd nun Hand in Hand mit Jane aus dem Tor trat, überkam ihn wieder wie bei seiner Ankunft in dieser Stadt ein kleiner Schauer, der mit unbestimmt süßen und lähmenden Erwartungen gefüllt war.
Es war die Stunde, wo ganz Kairo auf dem Weg nach Gizê unterwegs ist. Die Kolonnen der Droschken waren einander dicht auf den Fersen, um an einem bestimmten Punkt weiter draußen umzukehren und durch das orangefarbene Abendrot auf demselben Wege zurückzufahren. Ein Gefährt schluckte den Staub
Weitere Kostenlose Bücher