Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
Vom Netzwerk:
des anderen; in jedem saß eine Familie aus dem Kaufmannsstand,griechischer, italienischer oder französischer Herkunft, und schöpfte Luft.
    Die Hitze flaute ab ... nun regten sich diese Damen in ihren Häusern, wo sie bis zu dieser Stunde wie schönschillernde Schnecken vegetiert hatten. Sie preßten die fetten Körper in Korsette und enge seidene Röcke. Sie bekleideten die Köpfe mit Straußfederhüten von allen Farben, und über den rundlichen Handgelenken, die beim Spiel mit den schwarzseidenen Fächern sichtbar wurden, klirrten Ketten und Bracelets. Die Handgelenke trugen einen kleinen Einschnitt am Ansatz, eine kleine, rührende Falte im prallen Speck, wie bei jungen Wiegenkindern ...
    Die Gesichter dieser echauffierten Jüdinnen blühten rosig in Schminke. Eine anämische Müdigkeit zog einen kleinen Halbkreis herausgepreßter, schlaffer Fleischpolster um das auf steilem Busen ruhende Kinn, und die schwerbewimperten, zuweilen sehr schönen Augen waren stets auf lebhafter Wanderschaft. Alle südlichen Sprachen schwirrten in raschen Bruchstücken auf. Eine Kaskade von silbernen und gutturalen Schwatztönen sprang aus den Wagen, in denen die Frauen mit ihren jungen, gleich blutlosen und sinnlichen Kindern saßen, Knie an Knie: kleine Kolonien eingezirkelt-animalischer Menschheit, die einen Dunst von Parfüm und zusammengeschachertem Reichtum von sich strahlten ... Die Väter kauten an ihren schwarzen Schnurrbärten; sie lagen breit in den Wagen, die prallen Bäuche von leuchtendem Flanell umspannt, weißeSchuhe an den Füßen und Schulter an Schulter mit den Weibern; und zuweilen warfen sie den gegenübersitzenden Kindern Bemerkungen in heiserem Tonfall zu, auf ihre Art witzig, und stießen Zigarettenrauch aus den markant geblähten Nasen. So folgte sich Gefährt auf Gefährt, in einer Atmosphäre von Staub und flüchtigen Wohlgerüchen. Jetzt kam eine Equipage; ein Kawasse saß neben dem Kutscher, dessen enthaltsame blaue Livree mit der des Kawassen einen seltsamen Zwiekampf von mondäner Knappheit und ausschweifender Farbenfreudigkeit ausfocht ... und in dem Fond lagen einheimische Hofbeamte mit hellbraunen Gesichtern. Auf ihren schauspielerisch zerschnittenen Zügen ruhte der fahle Wachsglanz üppig geübter Laster. Sie schwatzten miteinander, sie spreizten beringte Finger; sie trugen weitgeschnittene Kleider aus englischem Stoff und stemmten die Füße in grellfarbenen Strümpfen wagrecht an den Rücksitz ... Zuweilen schlugen sie einander auf die Schenkel und wieherten, daß die Tarbuschquasten von einer Seite auf die andere flogen.
    Nun folgte ein Dogcart – selbst gelenkt von einer verblühten Miß mit überhitztem Gesicht unter dem knappen weißen Hut, die ihren sehnigen Körper in Waschleinwand wie einen Bogen spannte. In ihren harten Knochenfingern hielt sie Zügel und Peitsche wie eine Beute, und ihre blassen Augen berechneten jede Distanz. Hinter ihr auf dem Rückplatz hockte ein indischer Groom im Khakianzug mit hellblauem Turban. Das Dogcart ward überholt von Automobilenaller Marken, die mit aufheulenden Sirenen, mit Fanfarengeschmetter oder schauerlich röchelnden Hupen eine Gasse in das Gewimmel sprengten. In ihrem Brodem trappelten von der Mouski oder vom Straßenhandel zurückreitende Bauern, ganz hinten auf dem Kreuz ihrer strapazierten Esel hockend. Das wüste Gebrüll eines vorwärts lavierenden Wagenvermieters brach sich Bahn. Er führte auf einem einrädrigen schmutzigen Karren einen Klumpen aneinandergedrängter Weiber mit sich, die mit ihren Zehen spielten oder Zuckerrohr zerzupften ... Dann kam wieder eine Folge von Mietskutschen, unter dem eintönigen Uah-Ruf der Berberiner auf den Böcken, unter denen Bündel von grünem Pferdefutter hervorlugten. Zwischendurch schob sich wieder ein eleganteres Privatgefährt irgendeines Beamten aus dem englischen oder ägyptischen Dienst. Zuweilen flitzte auch ein Gig oder ein Tilbury mit Strohsitzen vorbei, besetzt mit Damen der Gesandtschaften und ihren weichherzigen praktischen Kindern und gelenkt von entschlossen dreinsehenden, gebräunten Herren, die zum Sporting Club fuhren, um am Abend bei Golf oder Tennis von der Kopfbürde ihres oft heiklen Amtes aufzuatmen. Dort, wo Daûd und Jane jetzt standen, hielten mehrere Gefährte vor dem flachen Gebäude des Skating-Rinks, wo am Abend als grotesker Effekt auf einer Filmtafel, die zwischen zwei Palmen in der blauen Luft hing, sich zauberhaft flimmernde Geschehnisse oder Inglîzschicksale

Weitere Kostenlose Bücher