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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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unverständlichen Charakters abwickelten, wo in einem höllischenLichtkegel, dessen Ursprung niemand erfuhr, Mord und Totschlag lautlos entstanden und verblaßten ...
    Jedem, der schwerere, weichere Luft gewöhnt ist, atmet dieser ganze Tumult von Verkehr auf der schwer federnden Eisenkonstruktion der wuchtigen Brücke wie ein Stück unwirklichen Lebens entgegen. Und doch bebt und dröhnt dieser Komplex von Beton- und Stahlvernietungen, auf ovalen Steinfundamenten ruhend, um die das zag strömende Wasser des Stromes quillt – und doch fliegt der Staub greifbar und stechend in die Augen, wird das Ohr gepeinigt, die Schulter erschüttert von den Stößen in der rücksichtslosen, sorglos kreischenden Menge, die zu Fuß geht. Aber dieses Theater von Luxus und malerischer Bettelhaftigkeit, dieser Mischmasch von Rassen, diese erdrückende Zurschaustellung flacher Begierden und zurückhaltender Selbstzucht, dies unerhörte Nebeneinander von Orient und Okzident hat etwas Entrücktes ... und alles, was sich in dem leuchtenden Staub abspielt, unter einem nackten, grellgelben Himmel, gemahnt an einen Traum, in dessen Wirbel alles Gefühl für das Echte zur Farce wird. Ja, jedes aufrechte Atemholen wird zu einem leichten Ringen nach Luft, etwa wie in der sacht von Sinnlichkeit durchsetzten Stunde eines lähmenden Fiebers, das an die Grenzen jenes Unvermögens führt, wo Hirn und Sinne sich gegeneinander auflehnen und befehden.
    Daûd stand stumm am Platz, und zum zweiten Male seit seiner Ankunft hier ward sein kleiner Kopf hilflos, und seine Gedanken wurden erdrückt angesichts diesertausend wechselnden Erscheinungen, die sich jagten. Hauptsächlich war es die eigene Rasse, die er wahrnahm, die ein so erhöhtes, prunkvolles Leben zu führen schien ... ein Stolz überkam ihn auf all die fetten Krämer, Gelehrten und Beamten, die von seiner Farbe waren, und ein bohrender Ehrgeiz, auch dereinst so gemächlich und gespreizt im Fond einer Kalesche sitzen zu dürfen. Er hatte eine begeisterte Zustimmung auch für die siegesfreudige Zudringlichkeit der niederen Kasten, zu denen ihn etwas wie ein wohlwollendes Zusammengehörigkeitsgefühl hinzog; und er nannte diese Zudringlichkeit insgeheim Selbstherrlichkeit. Ach, er kannte das gut: das war der Wunsch, aus dem Mist, darin man wider Willen gelandet war, wie ein Phönix sich erheben zu wollen! Und wie ein Phönix, der einen emsigen Schnabel hatte, einen kräftig einheimsenden Schnabel, hart zu hacken bereit, wenn eine weiße Hand sich etwas von seinem Raubfutter aneignen wollte, sich bereichern wollte mit der unerträglich kühlen Geste der Inglîz, deren Hände nie zappelten und sich nie im Gebete falteten! – –
    Hier unterbrach Jane seine Gedankengänge, indem sie ihn energisch zum Weitergehen ermahnte. Er nahm sie an der Hand, und mit verschleiertem Blick in die Kaleschen spähend, schob er sich traumbefangen durch das Gewühl.
    Haremsdamen beugten sich unter dem halbgeschlossenen Lederdach ihrer plumpen Familienkutschen vor, weiße Seidenschleier um Mund und Kinn; und ihremandelförmigen Augen entsandten Blitze zärtlich-eifriger Neugier zu Jane herüber, die unentwegt weiterging. Ihre hellgrauen geraden Augen, deren strenger Ausdruck durch die Aussicht auf das nahende Abendessen leicht gemildert war, blickten weder nach rechts noch nach links, und so war es im Grunde sie, die die Führung übernahm. Daûd ging nun, versonnen und etwas albern lächelnd, in ihrem Kielwasser und gab acht, daß man ihrem flinken Schritt Platz machte. So segelte sie wie eine kleine Fregatte aus Battist und Spitzen voll Energie durch den ausgelassenen Menschenstrom und setzte die kleinen Füße mit den festen Waden wie ein Maschinchen auf.
    Als sie an der Kaserne vorüberkamen, drang unendliches Dudelsackleiern aus den Fenstern, in denen müßige Gordon-Highlanders lehnten: Stummelpfeifen im Mund, zwischen Blumentöpfen und ausgehängten Uniformstücken. Von den Fußballplätzen wehte Staub über die Straße und verlor sich in dem dunkelolivfarbenen Laub der über die Abgrenzungsmauern lugenden Fikuskronen.
    Das Haus, in dem Aldridges sich einquartiert, lag in der Scharia-Maghrabi. Zweistöckig und mit einer behaglichen Loggia versehen, trat es in das staubige Grün des lang vernachlässigten Gartens zurück, zur Hälfte verdeckt durch einen Gummibaum von seltener Größe. Vor der Front lag ein Bassin, in dessen vertrocknetem Rund um den Sockel der feiernden Fontäne herum verirrtes Leitungswasser

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