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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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sage?«
    Daûd zog einen seidenen Geldbeutel hervor und entnahm dem Messingrachen fünf Schillinge, die er mit generöser Gebärde dem Mann übergab. Zabal biß in die Münzen, ließ sie auf dem Rande der steinernen Mahlpfanne tanzen und steckte sie dann mit schlecht verhehlterFreude in eine Falte seiner schmutzigen Kelabije. Dann bequemte er sich dazu, Aufklärungen zu geben.
    Daûd war kein Findling. Ein gut gekleideter, fetter Effendi von der einheimischen Regierung hatte ihn (wenn man Zabals mit großem Gestenspiel begleiteter Beichte glauben durfte) eines schönen Tages vor fünfzehn Jahren in das Dorf gebracht. Zufällig sei er der Umm-Dabbûs ansichtig geworden, die den Kretin Dabbûs an ihrer damals noch strotzenden Brust stillte, und habe ihr das helle, anscheinend erst ganz kürzlich geborene Wesen in den Schoß gelegt – geworfen, kann man sagen, ohne fehlzugehen. Es habe erbärmlich geschrien, doch der fette Effendi habe sich die Ohren zugehalten und gesprochen: »Geh mit Gott! – du verdienst nichts Besseres! – Man hätte dich ersäufen sollen wie eine Katze! O über die, die dich zur Unzeit gebar!«
    Daraufhin habe der fette Effendi der schimpfenden Umm-Dabbûs einen Zwanzigpfundschein zugeworfen und sei unter großen Beteuerungen der eigenen Unbescholtenheit und unter mehrmaliger Anrufung des höchsten Namens auf dem Esel wieder hinweggeritten. –
    »Die Banknote ist nun verzehrt, sie ist auf und davon gegangen, sie ist wie Butter in der Sonne geschmolzen. Aiowa! Wir haben viel Freude daran gehabt. Ach, ich hätte damals wohl auch gern eine Kasîde auf die Ohrringe meines Weibes gesungen, an deren Brüsten du gesogen hast! Doch wo ist deine Dankbarkeit? Du weißt mehr als wir, das ist klar. Aber was sitzest du deshalb hier und fluchst? Der du die wirksamen Verwünschungenkennst: was sprichst du wider die, die dich groß zogen wie einen Getreidehalm?
    Die Frucht, die er trägt, wird ihren Gaumen nicht letzen, und wenn wir jetzt einen Ertrag heischen und uns dessen, der uns belastete durch vierzehn Jahre hindurch, erfreuen wollen, so spricht er: ›,Speit es aus eurem Mund und achtet auf euren Blick!‹,
    So ist es, und wir sind mit Recht bekümmert und voll von Zorn!«
    Zabal erfand noch einige Wendungen; unter anderem nannte er Daûd einen » Vater des Irrwegs « und einen » Brunnen des unlauteren Ehrgeizes «; sein klangvollstes Wort hieß: » Diener der ganz Verworfenen und Sklave der Erzfeinde .« Daûd ließ sich das gefallen.
    Zabals Eröffnung hatte ihn in tiefste Meditation versetzt, und so nahm er kaum Notiz von den Titeln, die man ihm an den Kopf warf.
    Alles, was in seinem Blute dunkel geschrien, aller Hang zum Wohlleben, all sein kleines Gedächtniswerk, sein elegantes Beherrschen anderer unaussprechlicher Idiome, sein scheuer und so verletzlicher Geselligkeitstrieb, sein schwermütig sinnlicher Hang zum europäischen Gehaben – – ja, das alles und vieles mehr hatte nun seine leuchtende Rechtfertigung.
    Er dachte derer, die auf dem blitzenden Verdeck als die Herren umherwandelten und sich die weißbeschuhten Füße einander auf die Knie betteten ... Er dachteseiner hellen Haut und dachte nicht ohne Eitelkeit an die temperamentvolle Leichtigkeit, mit der er sich mit dem gleichaltrigen Inglizi verständigt ... Weg mit allen Sorgen: er war Jungägypter der besten Rasse; der Ursprung des Blutes, das ihn bestimmte, lag herrlich klar vor ihm! – Er war irgendwo im Schoße des stets erträumten, aber noch nie genossenen Luxus auf die Welt gekommen, auf eine Welt voller Bijouterien, leicht schreitender Füße, in der parfümgeschwängerten Ecke vielleicht eines fürstlichen Harems, beim diskreten Schein kunstvoll durchbrochener Meschrebijen, zwischen seidenen Diwankissen – – und durch ein tückisches, ungerechtes Geschick, in Gestalt jenes fetten Effendis (jenes offenbar hohen Beamten), war er als Opfer einer Intrige in diesem Mist gelandet und darin aufgewachsen: ahnungslos, beklagenswert und besserem Lose vorbehalten!
    Mit einem Viertelpfund hatte er sich jetzt von diesem Leben endgültig losgekauft. Er stand auf, ohne ein Wort zu sprechen, und drehte sich langsam im Kreis herum. Er nahm alle Gegenstände der Hütte noch einmal in sein Hirn auf; er hörte einen heiseren Hahnenschrei, und sein Herz bebte.
    Die Sonne lag wie immer funkelnd auf dem Durrahstroh der Dächer; die Palmen standen still im grellen Tag; aus den benachbarten Hütten drangen – grob, ungeschlacht und scherzhaft

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