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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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und Percy, überwältigt und blutend, begann zu schreien.
    Oh, wie klang das neu und musikalisch!
    Da fühlte sich Daûd plötzlich von einer sehr starken Hand in die Höhe gehoben und hinweggewirbelt. Mister John in blaugestreiftem Pyjama, die kurze Pfeife im Mund, stand auf dem Schauplatz und sprach mit knarrender Stimme:
    »Was, Teufel, soll dies hier eigentlich bedeuten?«
    Daûd verweilte sich noch unbeweglich, bös blickend und schweigsam in einiger Entfernung. Das allmächtige Wesen ergriff den schluchzenden Percy und entfernte ihn in das Zimmer hinein.
    Nach dem Frühstück kam Percy heraus und bat Daûd um Entschuldigung, daß er ihn in Ausübung einer religiösen Handlung, als in einer ihm unbekannten Zeremonie,zu Unrecht unterbrochen habe. »Das sage ich,« fügte er zischend bei, »weil Daddy es befiehlt, aber das nächste Mal wirst du verprügelt, hat er gesagt. Das ist kein richtiges Match, wenn man kratzt und beißt. Dreckfink!« – Man hörte, wie sehr ihn diese Schlußbemerkung erleichterte.
    Daûd hatte nur als Erwiderung ein kleines, spöttisches Lächeln. »Ich bin kein meskiner Fellache«, sagte er endlich stolz und leise; »ich bin der Sohn eines Effendis.«
    »Eines Effendis? – Und hast kaum die Dorfläuse aus deinem Hemd geschüttelt? Du der Sohn eines Effendis, und bist hinter Eseln hergelaufen?!«
    Daûd gab keine Antwort. Zabals Eröffnung saß leuchtend um sein Herz. Er sah den Sohn seines Dienstherrn noch eine Weile grübelnd an; dann schnob er unter kurzem Achselzucken und mit einem leichten Schnalzlaut der Zunge durch die Nase (er hatte das Verkäufern abgelernt) und wandte sich ab. – – –
    Während er in der Folge mechanisch seine Pflicht tat, sah er Percy nicht mehr an, und dieser verschmerzte es ohne Mühe; ja, es war ihm gewissermaßen behaglicher, den saugend-unterwürfigen Blick wie etwa bei den Mahlzeiten missen zu dürfen. Dahingegen unterwarf Daûd jetzt die kleine Jane und ihre Mutter seiner stummen Kritik und zog für sich Vergleiche mit dem Resultat, daß er die Kleine körperlich schätzen lernte, die säuerliche Mutter dagegen aber noch entschiedener als vorher ablehnte. (Die blasse Zofe, die mit Eingeborenennur aus der Entfernung sprach, erwiderte sein Wohlwollen nicht.)
    Dabei drängten sich ihm Vorstellungen auf, Gedankenverknüpfungen sinnlicher Art, zu drollig und grotesk, um eine Erwähnung zu vertragen. Er hing ihnen am Tag nicht nach, wohl aber kurz vor dem Schlafe, der von jetzt an zuweilen seltsam unstet wurde und von Träumen durchsetzt, die ihn fruchtlos reizten.
    Fern, kaum faßbar, doch mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks, ging ein schemenhafter Mann durch seine Träume, und hinter ihm in Abständen, die ein schnellerer Herzschlag zu füllen sich mühte, folgten die Schatten eines Affen und – einer riesigen Ziege, die näselnd mit zauberischer Zudringlichkeit meckerte, leiser und leiser, bis auch sie im Schlaf verblaßte und verging.
    Ende Juli kam ein Chamssin.
    Sonnenuntergänge, schon kurz vorher, waren schwefelgelb und grau gewesen, und die Nachtkühle blieb aus. Der Chamssin wehte drei Tage lang. Zuweilen saß die Sonne in einer schwelenden Asche und trat zurück; stechendes Halblicht strahlte dumpf vom Asphalt, von den Steinfundamenten der Häuser; unfaßbar feiner Staub legte sich tückisch als farbloses Pulver auf alle Welt, und aller Lärm schien erdrosselt, als laste eine schwüle Faust auf dem Puls der Straßen.
    Zu dieser Zeit geschahen drei Morde. Zwei von ihnen ereigneten sich im Eingeborenenviertel und kamen aufRechnung der Blutrache, dem dritten fiel ein Europäer in der Nähe von Meadi zum Opfer.
    Melonen-, Kürbis-, Nuß- und Brotverkäufer brüllten schwächer. Die Zeitungsjungen verloren ihren springlebendigen Enthusiasmus für etliche Zeit, und die Losverkäufer hockten stumpf in Schattenwinkeln, und statt ihre Lose den Passanten dringlich vor die Nase zu stoßen, fertigten sie sich Fächer davon, womit sie kraftlos wedelten. Vor den Cafés sah man schweißblanke Gesichter und apathisches Gebärdenspiel. Die Kanalarbeiter in der Scharia Maghrabi lagen vor der langgestreckten hölzernen Plakatwand auf zerknitterten Zeitungsblättern und schliefen, hohen, schnellen Atems, überwimmelt von Fliegen, schweißgetränkten Staub auf den tierischen Gesichtern. Eis in Sackleinwand schmolz im geschlossenen Behälter schon nach Verlauf von drei Stunden.
    Das Himmelsunwesen loderte und brütete weiter, immer neue schwere Atemzüge tat

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