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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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daß man sie wohl erst später, am nächsten Morgen, endgültig untersuchen werde. So würde die Entdeckung vielleicht erst auf dem Schiffe erfolgen ... Maalesh ! – Und wenn auch früher! Hei, diese Inglîz werden sich ärgern! Sie können den Verlust verschmerzen, sie sitzen ohnedies in ihrem Fett!
    Zehn Pfund! Das wog jenes Gold, das ihm Sadikdazumal vor einem Monat in jener herrlichen Nacht aus der Tasche gezogen, reichlich auf! Sein Erspartes hinzugerechnet, besaß Daüd nunmehr etwa neunzehn Pfund und zwölf Schilling!
    Der kleine Kopf kalkulierte in der Dunkelheit: ungeahnte Verwendungs- und Etablierungsmöglichkeiten schossen ihm durch den Sinn.
    Ein Ichneumon raschelte auf den Schränken; Daüd fuhr zusammen. Es blieb totenstill. Im Garten, schwer und klebrig, röchelten die Frösche.
    Daüd stahl sich lautlos in das Parterre hinab. Der Ichneumon spielte zutraulich hinter ihm drein. Man hörte, daß er Kapriolen machte, daß seine Mäusejagd ihn befriedigte, daß ihn das Dasein freute. Er tappelte mit ganz leisen Pfoten und bäumte sich an den Geländerstäben auf.
    Durch eine offene Tür drang fahler Schimmer. Das war Percys Schlafgemach: es war gegen den Gartenbalkon zu offen. Daüd glitt kriechend an dem weißen Bett vorbei, dessen Netz wie ein weißer Würfel geisterhaft durch das Dunkel schimmerte. Dahinter, auf schweißfeuchtem Linnen, lag der junge »Erzfeind«, wie zum Sprung gekrümmt, und atmete schwer.
    Als Daüd auf dem Balkon stand, spie er kurz und zischend in das Zimmer zurück. Dann kletterte er wie eine Katze herab, und drunten band er seine Kelabije bis zu den Hüften auf und turnte über den Zaun. Ein Schauisch, der unfern stand, bemerkte ihn nicht... Und so verschluckte ihn die Stadt, die große Stadt.

Intermezzo
    Bint-Unzul, mein Täubchen, entlasse mich jetzt, denn siehe, ich glaube, die Luft ist rein!« »Wie Gott will! So geh denn! Du bist schöner als ein Weidenzweig! Und wenn dich nach mir verlangt, so komm wieder!« – – – – –
    Im Herzen der Hamsaui, tief inmitten des Eingeborenen-Krämerviertels, saß Daûd. Die Seitengasse war überdeckt, sie glich einer bunten Stube. Gedämpftes Licht durchdrang sie. Anheimelnde Düfte: ätzender Mist- und Harndunst von Eseln, beschwichtigt von heimischen Wohlgerüchen aller Art, füllte die Luft... Eine murmelnde Stille herrschte in dieser abgelegenen, schier klösterlich diskreten Gasse, die narkotisch duftete. Denn kürzlich hatte Abu-Sisi, den Parfümeriehändler, das Mißgeschick getroffen, daß sein altersmorscher Ladentisch zusammenbrach und viele Fläschlein ihre Stöpsel verloren, ausrannen, ungeheure Duftverschwendung in die Gasse strahlten, so daß all die schläfrigen Krämer sich an die Nasen faßten und Gottes Segen auf Abu-Sisi herniederwünschten; denn das Unwesen tat einen guten Geruch, und auch Daûd spürte die benebelnde Entladung mit trägem Entzücken.Er saß wie ein Buddha-Bildchen hinter einem Berg von Mograbiner Schuhen. Seine Haltung hatte etwas Statuenhaftes und doch Leichtes. Er saß vollkommen bildhaft da, er sah weder rechts noch links und schwieg, während er teure Zigaretten rauchte und sie von Zeit zu Zeit mit exakten Bewegungen der ärmelverhüllten Arme von den weichen braunen Lippen löste. Er war schön, ja, das war er, etwa wie weiland Kamar-al-Zaman, bei dessen Anblick (wie überliefert wird) selbst Pilger seufzten. Seine Kelabije war aus schwerer Seide, gelb mit braunen Längsstreifen; auf dem Kopf trug er ein weißes Käppchen, und sein hellbraunes rundes Gesicht sah starr geradeaus ... Einsam saß er, still und gefaßt hinter den Schuhen, die er verkaufen sollte; und wenn ein Kunde kam, lächelte er mit hingehaltenem Lächeln und machte gewandte Konversation. Zuweilen drängten sich die Kunden dicht vor dem Basar.
    Die roten Schuhe hatten gelbe Sohlen mit aufgebogenen Schnäbeln – wahre Kunstwerke waren sie an Gesittung und Eleganz. Abu-Katkûs hatte sie verfertigt – oh, er besaß großes Geschick darin. Er schickte sie in den Sudan, und auf dem Markt zu Omdurman gingen sie reißend ab. Es waren Schuhe für Schêschs, es ging sich gut darin, sie stellten etwas vor, wenn man die Beine überschlug. Sie waren heitere und stolze Abrundungen einer gewichtigen Persönlichkeit. Diese Schuhe formten, zu Tausenden von Paaren verkauft, überall in den Deltastädten ihre majestätische Sohle imStaube ab – und Abu-Katkûs machte ein gutes Geschäft. Er war reich; er lobte Gott und sich selbst;

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