Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
Vom Netzwerk:
Bestellung wie einen guten Witz in die Zimmerschlucht hinein, aus der der ranzige Fettgeruch drang. Zwei schmierige Wasserpfeifen mit erhabenen Goldlackierungen auf den Glasbehältern wurden gebracht, und Sadik führte, sich auf seinem Stuhl breitmachend, den Bernsteinknopf an den Mund. Er ermunterte Daûd, ein Gleiches zu tun, und Daûd sog aus Leibeskräften. Aus dem kleinen Tabakberg auf dem Napfe schoß, wie aus einem winzigen Vulkan, ein steiles, graues Wölkchen hervor. Daûd sog, mit einem Male hatte er einen Geschmack auf der Zunge, der ihn dunkel an flüchtige Sensationen seiner Kindheit erinnerte. Eine verschwommene Reminiszenz tauchte auf: an eine offene Tür in Luksor, aus der derselbe Geruch gedrungen war, den er jetzt atmete: der sengrigsüße Geruch des Hanfs .
    Er sog zum erstenmal den schiefergrauen Qualm des Pflanzengiftes in sich ein ... und da war ihm, nach vielleicht zwanzig Zügen, als trete alles, was er sah,in ein unkörperliches Stadium über. Auch der scheppernde Klang eines mit Blechkapseln, in denen Schrotkörner rollten, behangenen Tamburins ward wesenloser, und sein Rhythmus löste sich in das Tempo des Ganzen auf, in ein traumhaftes Farbentempo, wo alle Gesten ruckweise und mechanisch verblichen, wo alles vertieft zu glühen anhob, gleichsam in fortschreitender Verbuhlung blau und schemenhaft zerrann, und Konturen zeigte, die dem Irdischen entwuchsen ...
    Lange Leiterstaffeln brauchte nun der Gedanke, um zu den Ohren eines der hinwegrückenden Menschen zu gelangen. Sadiks verkniffenes schmutzig-braunes Gesicht blieb ihm nahe: er schnalzte mit der Zunge, das hörte man. Er sog selbst, daß ihm der Qualm aus dem Gesicht entfuhr wie aus Mund und Nüsternlöchern einer zynisch-albernen Maske. Er blähte den Hals; er schrie lustige Bemerkungen; doch was er schrie, ging dem halbbetäubten Knaben nicht ein. Da es scherzhaft schien, lächelte er mit ... Ein unerhörtes Wohlbefinden nahm von ihm Besitz. Er sah, daß Sadik eine schnelle, kurze Aussprache mit dem Zitronengelben hatte, worauf dieser einen besorgten Blick auf Daûds Nargileh und dann nach der Gasse warf, um mit einer gleichgültigen Handbewegnng irgendwelche Bedenken zu zerstreuen, die Sadik geäußert haben mochte.
    Die Wände waren ganz mit billigen Öldrucken gepflastert. Sie zeigten Bombenattentate auf abendländische, buntuniformierte Souveräne; die Ermordung König Humberts schien recht beliebt und herrschte vor.Da gab es Schlachtenbilder, Dammeinweihungen, Empfänge bei Ibrahim Pascha und Abbas Hilmi, dicht untermischt von beliebten Athleten im Trikot oder Varietésternen. Ach, wie war das bunt, tausendfältig und schön! Eine ganze Welt sprang dem staunenden Träumer in die Augen; ein buntes, reiches Bilderbuch! Die Welt Ägyptens, doch überall besät von den Spuren der allmächtigen Inglîz, von denen auch diese Bilder sicherlich stammten! Und während Daûd noch starrte und gerade die Schlacht von Omdurman genoß, wo mehrere Derwische von einer Handgranate zerpulvert wurden, ward das Tamburingeklirr lauter und dringender. Eines der Weiber hinten am Eingange hatte sich entschlossen, zu tanzen, und vor ihr her schritt ein blinder Alter mit einem grün gesprenkelten, braunen Fetzen um den Tarbusch und sang, während seine Finger hart und hölzern auf das Ziegenfell rasselten.
    Sie kam dicht hinter ihm drein. Sie duldete keinen Vergleich mit jenem Weib in Luksor, das Daûd damals vor der Gartenwand aus weiter Entfernung und nur ganz verstohlen, wie auf den Fußtapfen eines Verbrechens hatte genießen dürfen. Der Alte grunzte und gab dazu mit der hohlsten Faßstimme der Welt eine endlose Paraphase von sich, des Inhalts: »Wir haben das Leben, hei, das Leben!« So sang dies zermürbte Skelett und bleckte zerfressene Zahnstümpfe zur Decke empor. »Oh, ihr Herren, ihr sitzet und dreht die Daumen übereinander, ihr sprecht: ›,He, was will uns dieser!‹, Und doch, ihr Herren, lasset mich springen unddas Glück loben: Ich habe ein Täubchen hier mit runden Hüften, das kann viel und noch mehr, als ihr glaubt; o Täubchen du, o Bint-Unzul, du Tochter des Konsuls; dein Schweiß, wenn du dich wie eine Spindel drehst, ist Geruch von Minze und Gewürz für die Männer!« So sang der ekle Alte und warf die holzigen Beine wie Stelzen auseinander, während der Taumel der immer schneller und immer heiserer wiederholten Worte seinen bresthaften Körper hin und her schüttelte.
    Sie stand, arabisches Vollblut, auf den Zehenspitzen,

Weitere Kostenlose Bücher