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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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mitten im Raum, zwei Schritte von Daûd. Ein herber Dunst ging von ihr aus. Sie war weder geschminkt noch gepudert; blank war sie und braun, uralten Stammbaums; ihr Gesicht, von seidenem, nachtschwarzem Kraushaar überwuchert, mit flacher Stirn und schiefen, weichgeschlitzten Augen, glich, ins Profil gedreht, dem der Königinnen des Mittleren Reichs, deren Umrisse bei Ausübung verschollener Kulte in Sandstein erhaben weiteratmen. Zwischen ihren sehr hohen, nachgefärbten Brauen saß ein blauer Kreisfleck. Sie stemmte, die Arme mit rechtwinklig abgebogenen Händen steif zu Boden streckend, ihren von harten Muskeln gebändigten, schier gewichtslosen Körper in den Qualm der Schenke empor ... Oh, sie war so vielfach, so erzen, so tierisch, daß sie einen großen, machtlosen Seufzer um sich her aufschwellen und verröcheln ließ.
    Ihre blaßbraunen Brüste bebten, mit blauen Schlangenlinien bedeckt, über der Korsage. Sie trug ein blaues, goldgesticktes Samtkleid. Sie konnte mehr alsdas Weib von Luksor. Daûd sah sie zunächst ganz verschwommen, wie den Umriß einer Pappfigur hinter dem Musselintuch eines Schattentheaters, wie es deren unsern gab. Ihr Atem bedeutete: Ich bin Vollendung, Form, ächzend ertragenes, zeitloses Symbol; ich bin höchst persönlich und einzig ich selbst; was habt ihr mir an? Wie ein edles Pferd jede Muskel seines Leibes rühren kann, um die Fliegen zu verscheuchen, so lief über ihr durchsichtig pralles Trikot, über den schmalen, vorgeworfenen Bauch ein rieselndes Zucken, in so blitzschnellen Abstufungen bis zu den Knien übergreifend, daß die Augen, die auf ihr hingen, völlig zu zwinkern vergaßen. Daûd starrte sie an und vergaß die Welt, bis die einförmige Musik ihr Ende, bis jener bresthafte Alte einen Teller hervorzog und das Gesicht der Tänzerin, das braune, herben Duft ausatmende Gesicht sich werbend dem seinen näherte und er von breitem, sinnlich hingezogenem Lächeln entblößte schlohweiße Zähne sah, zwischen denen die Zungenspitze verschmitzt zum Vorschein kam ...
    Nun näherte sich ihm der Leib in Verührungsweite, und die durch das Haschisch aufgestachelten Sinne des Knaben fanden raschen Kontakt mit den ihren. Sein Geld war mittlerweile vollzählig zu Sadik hinübergewandert. Dieser steckte eine Kleinigkeit in die sich herüberschlängelnden Finger der Tänzerin. Sie war nicht zufrieden; er blieb jedoch störrisch, und sie schalt gellend auf ihn los. An Sadiks Gemütsruhe prallten jedoch die herbsten Vergleiche spurlos ab; er hatteseinen Profit gemacht, und das übrige beschied er in Allahs Hut. Dann ging er hinweg.
    Die Tänzerin ergriff jetzt Daûds Hand und führte ihn der Tür entgegen, nach dem Innenhofe des Gebäudes zu.
    Herzliches, dröhnendes Gelächter klang hinter ihnen her. Der Araber versteht nicht zu lächeln, sondern wenn er eine auch noch so bescheidene Komik empfindet, bricht das Lachen wie das Gebell eines großen Hundes aus seinem Hals. Der Witz beschäftigt ihn, er ist das willenloseste Opfer seiner augenblicklichen Vorstellung. Er hat auch nicht die geringste Oberhand über das Köstliche, was er soeben sah oder hörte, sondern sinkt, wenn er es ausgekostet, gänzlich ausgeleert auf seinen Stuhl zurück, während die wirbelnden Finger noch Minuten hindurch mechanisch ihr Entzücken bezeigen ...
    In einem kahlen, getünchten Zimmer, auf einer Matratze ohne Decke, mit einem stinkenden Dochtlicht vor dem Spiegel und beim Klang fern näselnder Instrumente, deren ausschweifende, endlose Tonwelle wie wilder Pulsschlag im Ohr lebte, hielt Daûd ein erstes Mal Hochzeit mit seiner Rasse. – – – – –
    Erste flache Sonne fiel blendend scharf in die Gassen, während der westliche Teil des Himmels noch im stumpfen Blaugrün jüngster Frühe lag. Es war totenstill; die Stadt dehnte sich noch ausgestorben mit blassen Schatten im erwachenden Tag; Schläfer aller Art, Karrenkutscher, Lastträger, Diener lagen in den erdenkbarstenStellungen unter den Mauern oder auf den Treppen der Hauseingänge. Schmutzmilane trillerten und pfiffen in geringer Höhe; verspätete Fledermäuse irrten im Zickzack dem Ezbekijegarten zu, und allerorten krähten die Hähne. – –
    Der greise Bauwab hatte, schlaftrunken aufgrunzend, dem heimkehrenden Daûd geöffnet. Nun stand das neugezimmerte Männlein in dem noch morgenstillen Haus. Gedämpftes Frühlicht fiel durch die gelbseidenen Stores der Treppenfenster; der Neger lag noch mit klaffendem Munde auf seiner Matratze. Daûd

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