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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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mittlerweile saß er in irgendeinem Café und zog das Brettspiel mit viel Geräusch oder betrank sich, bis die Selbstgefälligkeit ihn zu allerlei schweißtreibenden und primitiven Späßen trieb ...
    Wenn er ein wenig Zeit hatte nachzudenken, so spürte Daûd in den ersten Tagen noch eine geheime Angst, es könnte eines Tages einer der weiß bekleideten Schauîschs auf ihn zutreten und ihn wegen des Diebstahls verhaften. Eine Woche lang hatte er sich bei jenem Weib in der Wasa versteckt gehalten, und da er reichlich Geld ausgab, hatte man dort ein Interesse daran gehabt, Sand in das Auge des Gesetzes zu streuen. Nun waren seit der Abreise der Inglîz zwei Wochen verstrichen; und wenn gepirscht worden war, so hatte man jedenfalls keinen Fiebereifer dabei entwickelt, und Daûd fühlte sich immer sicherer davor, aufs Karakol geschleppt zu werden.
    Hier fühlte er sich wohl; und Abu-Katkûs vertraute ihm. Es war herrlich hier wie in einem Zauberkasten, und man konnte den ganzen Tag über träumen. An den Freitagen besuchte Daûd das Hammam, das vom Hof aus mit Mull in einem großen Backsteinkamin geheizt wurde. Er steuerte stolz auf dem schmierigen Boden um das Bassin herum, an dessen Rändern der Pöbel sich für einen großen Piaster striegeln ließ, und warf sich entkleidet in der Dampfstube auf die Kissen, zwischen Effendis und Kaufleute, hinter deren kupferblankenoder bernsteingelben Körpermassen er schier verschwand. Man schwatzte leise, transpirierte und genoß. Kleine Kaffeeschalen standen in Hauptesnähe, man rauchte Gosa und Tschibuk, man las Zeitungen: kurz, man nahm den ganzen Apparat der Muße in diese von Schweiß und Dampf geschwängerte Marmorstube mit.
    Die schwerbewimperten und gutgenährten Herren faßten zu Daûd eine erhebliche Sympathie. Das war einerseits seinen äußerlichen Reizen zuzuschreiben, und dann noch dem folgenden Umstand: er bat sich die ›,Bourse Egyptienne‹, aus, und während er sein hellblaues Badetuch mit unbewußter Koketterie um sich drapierte, entfachte er eine Zigarette und las mit einem ungeheuren Ernst, der sein Gesicht ganz in Falten zerschnitt, die Börsenberichte durch. Fiel es schon auf, daß er eine perfekte Kennerschaft der französischen Sprache verriet (bei seinem Alter eine bemerkenswerte Tatsache), so nahm die überraschte Verwunderung kein Ende, als er seine Nachbarn in politische Finanzgespräche verwickelte und Fragen stellte, die von hellem Kopf und verschmitzt-rechnerischem Vermögen Zeugnis gaben. Denn mit Abu-Katkûs hatte er so manches Mal bereits einen kleinen Schwatz über derlei Themen gepflogen; von diesem stammten auch die Fachbezeichnungen, mit denen er wenig mundfaul umsprang. Abu-Katkûs hatte durchaus mit dem religiösen Prinzip gebrochen, daß man als rechter Moslem keine Zinsen nehmen dürfe: im Gegenteil, er spekulierte sogar, nicht im großen, aber so hier und da, und leuchtete, wenn er etwas angetrunkenwar, gern mit der kleinen Ölfunzel einer Enthüllung in das finstere Geschäftchen hinein. Diese Erklärungen machte sich Daûd entzückt zu eigen. Jede von den kleinen Usancen war für ihn bereits Erfahrung, und in der Badestube wußte er sie mit einer Miene zu verwerten, die vermuten ließ, daß er über noch viel mehr orientiert sei.
    Dadurch enthusiasmierte er die fetten Schnarcher, und sie prophezeiten ihm, daß er dereinst berufen sei, ein großer »Agent d'Affaires« zu werden, was in bester Übersetzung »staatlich geduldeter Gauner« heißt. Doch war all das bei Daûd vorerst noch spielerische Theorie – – – Viele andere Eindrücke rein sinnlicher Art drückten sie auf die Seite, bis der Tag kam, wo er mit Erstaunen bemerken sollte, wozu solch ein Talent gut und nützlich sei.
    Mittlerweile lebte er sich ganz in sein beschauliches Dasein ein. Noch nie hatte Abu-Katkûs soviel Schuhe abgesetzt wie in diesen Zeitläuften. Frauen aus allen Schichten kamen und verlangten kleine Saffianpantöffelchen für die ungewaschenen Kinder, die sie auf den Schultern trugen. Zuweilen entstiegen auch Damen in der Nebengasse, wo sie halten ließen, ihren Kutschen und trippelten herbei, während gepreßter Atem ihre Schleier blähte und ihre Stimmen melodisch und unablässig gurrten. Dabei verschlangen ihre schwarzen Augen den Verkäufer... Sie handelten nur, um den Kauf hinzuziehen, und Daûd war die Kulanz in Person.Einmal ward er französisch angelispelt und bemerkte eine tiefverhüllte Zirkassierin, die, scheinbar behindert durch allzu enge

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