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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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der Sudân und schickte Schwaden gepreßter Stickluft über das Niltal herauf ...
    In dieser atembeklemmenben Periode geschah es, daß Daûd wie üblich das Diner servierte. Man nahm es schweigsam ein. Eine eisgekühlte Bowle stand auf dem Tisch. Die Gesichter unter der gedämpften, grün verhangenen Lampe glitzerten von Schweiß. Das des Mr. John war lachsrot, die der Kinder blaß, so daß die Lippen in den Gesichtern dunkler als sonst erschienen.Die Dame des Hauses hatte ihre Nase leicht unter Puder gesetzt. Alle atmeten hörbar.
    Als abgeräumt war und man zur Bowle schritt, sagte der Herr des Hauses, zu Daûd gewandt: »Morgen fahren wir nach London zurück. Du wirst mitgenommen.« Und mit einem flüchtigen, liebenswürdigen Zusammenziehen der Augenwinkel fügte er bei: »Das ist dir gar nicht so unangenehm, wie?«
    Daûd warf zwei Teller auf den Teppich, was man einer freudigen Überraschung zuschrieb.
    »Es versteht sich,« unterhielt sich Mr. John noch mit seinem Hintergrund (während er die Bowle in Gläser ausschenkte), »daß du mit Percy Frieden hältst und in jedem Stück parierst. Bis jetzt hast du dich leidlich gehalten ... nun geh und pack deinen Kram zusammen. Um sieben Uhr brechen wir auf.« Er sagte noch dies und das. Kurzes und Praktisches, in seiner bequemen, silbenarmen Sprache, während Daûd sich, ein » kata-ckera « stöhnend, schier lautlos aus dem Zimmer empfahl.
    Er ging in den Garten. Und als er an das Gitter trat, schritt der Mann mit den Tieren vorbei.
    Er ging auf der anderen Seite der Straße. Er sang ganz hoch und leise vor sich hin. Sein Gewand wallte, sein Kopf war vorgestreckt. Noch als er längst um die Ecke gebogen war und der erhobene Stummelschwanz der Ziege, die hinter ihm trabte, nickend verschwand, hörte man seine Stimme leise singen ...Über Kairo, unter dem Staubschleier, lag ein leuchtender Dunst, in dem es brodelte. Die einfallende Nacht brachte einen unfaßbar flüchtigen Windhauch, der geisterhaft und nur für Sekunden kühlte. Dort hinten links, durch drei Straßenzeilen von Daûd getrennt, lag die Wasa in einem Klangdunst näselnder Pfeifen, durchpulst vom leisen Schüttertakt vieler Tamburine und blinddurchtappt von bunter Gier. Wie eine Schlucht lag sie versteckt, doch unentrinnbar – Daûd sah sich schlau um, dann ging er ins Haus zurück und stieg langsam die Treppe hinauf. Er sah im ersten Stockwerk die gepackten Koffer übereinandergestapelt liegen; dazwischen erblickte er ein halboffenes Handtäschchen aus Glasperlenmosaik: das gehörte Mrs. Aldridge. Er sah alles zunächst gedankenlos an; dann stieg er noch höher und trat auf die Dachterrasse.
    An die kurzen Säulchen des Steingeländers gelehnt, ließ er den Blick umherziehen. Im Westen hinter den Gizê-Pyramiden war letztes Blutlicht. Brünstiges Gelb, flach gedehnt, zog sich in schwüler Ruhe von Roda bis zur Boulak-Brücke herüber ... Der untere Teil erschien von unzähligen schwarzen Palmwedelchen wie zernagt. Der Strom zeigte an zwei Stellen faulig schillernd seine unvergeßliche Tönung. Über dem gelben Quadrat der Barracks schlang wie stets ein großer Schwarm von Raubvögeln seine trägen Flugkurven durcheinander.
    Der Blick Daûds zog weiter: über die eingebetteten schwarzgrünen Baumgruppen der Gartencity und glitt nach Osten, wo die schwarzen Nadeln der Zitadellenmoscheein das fahle Licht stachen, wo die übereinandergetürmten, wuchtigen Mauerkränze tiefbraun dunkelten und die kahle Scheide des Mokattam den Himmel zerschnitt, in dem die ersten blassen Sterne zuckend mit der scheidenden Glut der anderen Seite rangen. Und dann, wahrend es tiefer und tiefer blaute und ein ungeheures Schwarz molkig herandrang, blickte er tiefer in die Runde, und am Schluß verlor sich sein Blick in einem wimmelnden Lichtermeer, während alle Konturen zerflossen.
    In der Nacht, als das ganze Haus in tiefstem Schlafe lag, erhob sich Daûd in seinem Kämmerlein. Was er an Habseligkeiten besaß, wickelte er in seinen kleinen Gebetsteppich ein. Wie ein Geist ging er in das erste Stockwerk hinauf. Seine kleinen diebischen Hände betasteten den Kofferberg. Siehe, die Handtasche lag noch unverschlossen an ihrer Stelle.
    Mit unendlicher Vorsicht rieb er ein Streichholz an und raubte sie aus. Mit Sachkenntnis stellte er fest, daß der wertvollste Inhalt eines ledernen Etuis aus einer Zehnpfundnote bestand; er entnahm sie dem Etui und steckte dieses in die Tasche zurück, die er zuschnappen ließ. Er rechnete damit,

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