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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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Jackett stand von den Hüften ab. Die sehr tief ausgeschnittene Weste ward durch eine billige, schreiend gelbe Krawatte gehoben. Ein giftgrünes Hemd fand Succetti=Paschahübsch und entzückte seinen Träger. An die Füße zog man dem Jungen ausgetretene Tennisschuhe. Daß er den Tarbusch aufbehielt, verdient keine Betonung.
    Succetti-Pascha erfreute sich, was sein Privatleben anlangte, nicht gerade des blendendsten Leumunds. Lange im Orient ansässig, hatte er sich dessen anrüchige Eigenschaften (somit also die dem Fortkommen hierzulande förderlichen) mit der Mimikry des Juden zu eigen gemacht. Geizig, jäh in Aufwallungen und aus Gemütsbeschränktheit skrupellos, war er von einer geradezu habgierigen Lüsternheit besessen, die die der Eingeborenen schier noch überbot – und dazu gehörte etwas! Man erzählte sich unter den niederen und karrierelüsternen Angestellten, daß, um ihn geneigt zu stimmen, eine zeitweise Überschreibung selbst nächster weiblicher Verwandten auf ihn von großem Vorteil sei, und daß er Toleranz in diesen Dingen äußerst hoch einzuschätzen wisse. Bisweilen ließ er sogar einen einseitigen Schwachkopf bis zum Bureauchef gedeihen, wenn man seine Schwäche für ein diskretes Angebinde bewußter Art unaufdringlich auszubeuten verstand...
    Doch eine Sicherheit war das keinesfalls und durchaus kein Spiel mit reellen Werten, denn es konnte geschehen, daß er dem Ärmsten aus heiterem Himmel heraus ein Bein stellte, als tückischer Boreas sein Existenzgebäude brutal aus den Fugen blies und ihn unverdientermaßen wild beschimpfte... erklärlich darum, daß es viele gab, die ihn haßten. Aber seine Macht war groß; und er brütete sie immer reifer wie je einGeierweibchen, das auf seinen Eiern saß und nach Störenfrieden hackte.
    Daûd ward zunächst einem niederen Beamten als Beihilfe zuerteilt. Hier erhielt er ein enthaltsames Drehstühlchen, und der fadenscheinige Grieche, der ihn beschäftigte, war seine einzige Gesellschaft. Sie konnten sich französisch verständigen. Der Grieche war stets betrübt und hatte die Farbe von Leberkranken in dem regelmäßig geschnittenen, aber unjugendlich faltigen Gesicht. Es hieß, daß er zwei wunderschöne Schwestern besitze... Einmal erschienen diese in der Bank mit riesigen rosa und blauen Straußfederhüten und großen Battistrüschen unter den ovalen, leeren Gesichtern. Sie schwatzten außerordentlich schnell, wobei sie mit kleinen Seidenschirmen gestikulierten. Sie kamen, um Succetti-Pascha um Aufbesserung ihres Bruders zu bitten... Man wies sie ins Office, und nach einer zweistündigen Unterredung hatten sie ihren Zweck erreicht.
    Der Grieche war, was Daûd in Erstaunen setzte, sehr gleichgültig über diese Zulage. Ja, sein Gesicht schien seitdem noch faltiger und noch gelber zu werden... Hätte man dem jungen Ägypter auch einen Blick durch die soziale Brille des europäischen Empfindens gegönnt, er hätte nichts gesehen; vielleicht hätte ihn das Unpraktische an dieser Moral sogar zum Lachen gereizt. So aber blieb es ihm vorbehalten, sich vergebens abzugrübeln, was wohl der Grund von des Griechen Trübsinn sei.Bei den großen Volksfesten verwandelte er sich in den früheren Daûd. Dann steckte er mit Abu-Katkûs und dessen scherzhafter Tafelrunde zusammen und verpraßte sein halbes Monatsgehalt in elementaren Genüssen. Jedes Pfund, das er einnahm, mahnte ihn an den nächsten glänzenden Markstein seines dürren Drehstuhldaseins. Derlei Erholungen waren: das dreitägige Beiramfest, der Gedenktag der Seijide-Seynab, das Jom-Aschûra mit seinem toll-berauschenden Blutdunst in der Khamsani, die Rückkehr der Mekkapilger, die großen Prophetenfeste und das Chamm-en-Nessim, mit dem man den Frühling begrüßt... Doch wenn er sich auch bei diesen dröhnenden Volksbelustigungen, bei dem herrlichen Taumel in den engen Gassen (unter dem rötlichen Schein unendlicher Lampen und grob geschliffener Kronleuchter) von ganzer Seele ausgab, mitschrie, mitrannte – den Kopf, ja, das ganze Wesen erfüllt von allumschlingender, zujubelnder Wonne –, so geschah es doch, daß er nach Schluß der Bank in seinem europäischen Anzug zu Shepheards Terrasse ging, sich dort in einen Korbstuhl setzte, einen Kaffee trank und mit grübelndem Blick das reiche englische Publikum musterte, das dort aus und ein wandelte; ja, sich sogar bei unbewußter Kopie solchen Gehabens ertappte... Dabei drängte sich die verklungene Zeit wieder unmittelbar heran mit all ihrem

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