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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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an den Börsenschaltern klebten, um mit innigem Vergnügen wahrzunehmen, wie man sich um ihre Papiere stritt. Sie ließen sie sich zu phantastischen Kursen gemächlich aus den Klauen reißen und diktierten auf Wochen hinaus vor Behagen wiehernd die Prozente für die nächste Serie.
    Daûd erkannte einige der fetten Schnarcher aus dem Hammam wieder, und sie selbst waren keineswegs verblüfft darüber, daß sie seine Bekanntschaft an dieser Stelle erneuerten. Ja, sie weihten ihn ein; sie überließen ihm kulant unter zärtlich heiserem Flüstern mehrere Papiere weit unter dem Kurswert ... Kurz, Daûd profitierte. Und vom erstenmal ab, wo er das tat, dämmerte ihm, daß er von nun an auf eigene Rechnung Geschäfte machen könne, in großem Stil ...
    Doch noch hatte er kein Geld, keine Basis!
    Eines schönen Tages erschien Abu-Katkûs. Es gab Daûd einen leichten, freudigen Chok, als er ihn sah, und seine Augen funkelten. Er bediente ihn mit zehn Hotelaktien, schweren, trächtigen Vögeln einer neuen, sehr viel versprechenden Gründung. Abu-Katkûs schüttete sein Gold aus dem mitgebrachten Seidensäckchen und wollte bereits von hinnen wandeln, als Daûd ihn anrief und ihn bat, ihm später, nach Börsenschluß, eine Unterredung zu gönnen. Sie begaben sich seitwärts und setzten sich in ein Café ganz in die Ecke. Abu-Katkûs glänzte vor geschäftlicher Genugtuung.»O mein Freund,« sagte Daûd, »ich werde dich um etwas bitten, und du wirst mein Herz nicht betrüben.«
    »Gott wird dir geben, du Ursprung der Grazie«, erwiderte Abu-Katkûs und stieß auf, denn er hatte soeben einen Kognak auf eine fette Hammelmahlzeit gesetzt. Er sah Daûd mit schwimmenden Augen an und dachte dabei an die Zeit zurück, da dieser mit der gleichen, verschämt-frechen, etwas gefallsüchtigen Pose als erfolgreicher Magnet hinter seinen Schuhen geweilt. Er gedachte auch jener Abschiedsmahlzeit in seinem Hause, und eine gewisse, von Entsagung und ausschweifenden Wünschen angenehm belebte Schwäche kam ihn an, als habe etwa ein vertrautes Laster ihm einen anheimelnden Stoß in die Weiche versetzt; ein Laster, das ihn von jeher möglich und amüsant dünkte wie allen seinesgleichen in dieser – ach! – so herrlich verderbten und ausgiebigen Stadt.
    »Was heißt das: Gott wird dir geben!« sagte Daûd mit gereiztem Lächeln. »Ich bin nicht meskin und will keinen kleinen Piaster. – Es gilt eine große Sache: horche zu.« Und er teilte ihm etwas mit, worüber der Kaufmann seine Gedankengänge flugs in eine andere Richtung steuerte; ja, mit der Zeit rückte er schwer und wuchtig samt seinem Stuhl heran, so daß Daûd halb unter den breiten Falten seines olivfarbenen Kaftans verschwand. Abu-Katkûs' Kopf bebte auf dem feisten Hals; seine Augen wurden grellrund; er begann asthmatisch, wie ein Stier, zu schnaufen und vertilgteunzählige Zigaretten, während die Mitteilung, die Daûd in blitzschnellem Satzgefüge hervorstieß, in sein Hirn einging und darin zu schimmern begann wie eine angeschürfte schwere Erzader in bisher ungenütztem Stollen.
    Es war davon die Rede, daß eine belgische Gesellschaft mit großem Kapital von einer riesigen Gründung einen großen Posten Aktien blanko auf den Markt werfen werde; eine felsensichere Sache. Sich hier im voraus zu engagieren: ha, das hieße ein Geschäft! Es überlief Daûd wiederum heiß und kalt, als er dies Geheimnis Succetti-Paschas dem Krämer verriet.
    »Doch der Preis für die Indiskretion – horche zu, Abu-Katkûs – ist der, daß du mir eine große Summe in die Hand gibst. Das ist dir eine Kleinigkeit. Wir machen die Sache getrennt. Der Direktor darf keinen Wind bekommen, sonst legt er die Hand früher auf das Geschäft und wirft mich heraus. Die ›,Expreß-Nile-Co.‹, – lausche mir gut, du Schêsch der Schustergilde! – sind eine horrend fruchtbare Anlage. Ich weiß es aus bester Quelle ...« Und Daûd setzte ihm noch die Gründe blitzschnell auseinander, die Chancen, die die Papiere hatten, die wahrscheinliche große Hausse ... Dann verstummte er plötzlich, verstummte jäh.
    Wem sagte er das alles?
    Abu-Katkûs saß schwer atmend da und stierte ihn ohne den geringsten Ausdruck an wie aus einem Trancezustand heraus. Der junge Daûd, der alles aufs Spielgesetzt, ward von einer dunklen, peinigenden Angst ergriffen. Wie? Wenn dieser Mann jetzt aufstünde und hinausginge? Wenn er ein Schwein wäre und mit der Beute dieser billig erlangten Kenntnis skrupellos Wucher triebe? Wenn er ihn

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