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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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elementare Wirkung auch dieser Anekdote abgewartet hatte, nahm er einen Schluck und beschloß seine erste Erzählung.
    »Das zweite Mahl wurde also gebracht, und ich hatte ihm zu Spargeln geraten. Als sie nun so hübsch eine an der anderen vor ihm lagen und es ihm nicht einfiel, mich einzuladen (wiewohl ich ihm doch das Gewand geschenkt!), sondern gleich darüber herfiel, sprach ich zu ihm: ›,Mein Bruder, du kommst aus dem Delta und bist unerfahren in der feinen Sitte: Man ißt die Köpfe der Spargel nicht mehr.‹, Darauf schnitt er sieab und ließ sie liegen. ›,Was bin ich?‹, fuhr ich fort. ›,Ich bin in deiner Hand... Erlaube, daß ich die Brocken esse, denn mich hungert und bin arm wie eine Ratte.‹, – Und ich aß sie auf. Er verachtete mich darob.
    Am Schlüsse grölte er und wurde zuchtlos. Ich habe nie einen Menschen von schlechteren Manieren gesehen!«
    Dies bekräftigten alle und gaben Abu-Kêf recht. Während sie in der Folgezeit noch mit ihren rasselnden Stimmen durcheinanderschwatzten, bediente sich Daûd unablässig aus der Flasche und wurde dementsprechend schelmisch. Eine ungeheure Behaglichkeit durchdrang ihn. Er lüftete gleich den anderen ohne viel Umstände seine Gewandung, und ein Gelüst überkam ihn, Aufsehen zu erregen. Er sprach mit seiner hellen, gellenden Stimme: »O ihr Männer, hört mir zu!«
    »Sprich«, kam es zurück. »Wir lauschen dir.« Und Daûd begann mit gewichtiger Stimme:
    »Ein Bauer sagte einmal zu einem anderen: ›,Höre, was die Liebenden sagen.‹, Jener fragte: ›,Was sagen sie, o Abu Damum?‹, Da sprach der andere ein Gedicht, das hörte sich an wie plätschernder Eselsurin:
    ›,Ich sage, Ginêsin, du hast dich mit ihm zurückgezogen, in unsere Wohnung, du aufsteigender Mond, und er hatte seine Belustigung mit dir.‹,
    Jener besann sich eine Weile, dann fragte er: ›,Von wem ist das?‹,« – und jetzt begann Daûd mit unerhörter Schnelligkeit in seinem vulgären Dialekt zu plappern: »›,Von Harin-er-Rusâd, der in den Brunnen fiel, wo ihn das Krokodil fraß, auf den der Dreckherabregnete in der Moschee Tîlûn, wo das Feuer kalt ist...‹, Jener sagte: ›,Sicherlich, gut, sehr gut, ich weiß auch eine Geschichte von Isâ-ibn-Abu-Tâlûb, die heißt: Es ging ihm genau so, wie es ihm ging, und um kein Haar anders!›,«
    Das Gelächter, das Daûd erntete, stellte an Schlagkraft und Schallwirkung alle Erfolge in Schatten, die Abu-Kêf eingeheimst.
    Allgemeines Wohlwollen umbrauste den Knaben; man zog ihn näher herzu; man befaßte sich mit ihm; er ging von Hand zu Hand wie eine gehätschelte Puppe. Schließlich befreite er sich unter glucksenden Lachtönen von all den Händen, von all der enthusiastischen Fürsorge. Er stellte sich im Raume auf und begann zu tanzen. Diesen Tanz deutete er dadurch an, daß er die Hüften hin und her schob, den Kopf mit geschlossenen Augen und klaffenden Lippen in den Nacken fallen ließ und die Hände auf die Seiten streckte, wobei er sie spreizte und in fast spitzen Winkeln abknickte.
    Dann drehte er sich mechanisch und endlos um sich selbst, wobei er hoch und gläsern schrie. Farbige Lichter taumelten um ihn herum.
    Und die Männer schwiegen und sahen ihm zu. Als er umfiel und auf den Boden rollte, regten sie sich, bemächtigten sich seiner mit breitem Gelächter, stärkten ihn und warteten vergnüglich ab, was dies trunkene Hähnchen ihnen nach weiteren Tänzen bescheren werde...

Der Diener der ganz Verworfenen
    Und an jenem Tag wird der Sünder seine Hände beißen und sprechen: »Oh, daß ich doch einen Weg mit dem Gesandten gegangen wäre!«
                        Koran, Sure der Unterscheidung.
    Als Daûd in derselben Mandara erwachte, tat ihm sein ganzer Körper weh. Gleichwohl erhob er sich, kleidete sich unverzüglich an und stellte sich pünktlich der Abmachung gemäß auf der Bank ein. Er ward dem Direktor durch einen Kawassen gemeldet.
    Succetti=Pascha erhob sich von seinem Mahagonidrehstuhl und führte ihn in ein Räumchen, das er ihm als seine künftige Wohnung vorstellte. Hier gab er ihm einen Anzug von englischem Stoff, der an dem jungen Orientalen hinlänglich exentrisch aussah. Und während Daûd sich umzog, kam des Direktors große Nase, sein greller, prüfender Blick noch mehrmals durch die Tür herein und kritisierte dies und das, ja, der Mächtige half ihm selbst (auch wo es augenscheinlich erübrigte) bei der Metamorphose. So trug denn Daûd von nun an glockenförmige Hosen, und sein

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