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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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Gemisch von lähmender Befangenheit und Ablehnung, von Stolz und schwerblütigem Neid...Er begriff jetzt, daß all dies Wohlleben nur die äußere, unausbleibliche Frucht einer emsigen, zähen Arbeit war; daß diese Leute die Pfunde, die sie in Bewegung setzten, in saurer Eigenbeherrschung verdient hatten, in honett durchgeführten Intrigen, in schweißerzeugender Hirnarbeit und durch geheime Selbstentäußerung, die ihnen tausend gründlich überdachte und hundertfach debattierte Bestechungen gekostet... bis sie dastanden, bis sie die Fäden vereinigten, bis sie sagen durften: »Verzeihung, aber dies Ressort ist nicht mehr zu vergeben!« Es sagen durften erbosten Würdenträgern ins Gesicht, mit kalter Sachlichkeit; eine Hand in der Militärverwaltung, der knappen Maschinerie, die das Land zu seinem eigenen Schutz bezahlt! – Und die andere leger zu freundschaftlichem Shakehand vorgestreckt...
    Aber er war reifer geworden! Es war ihm jetzt klar, daß er, wenn er auf Kosten dieser Leute in die Höhe kommen wolle, einen Kompromiß mit dem allen schließen müsse! Und – nachdem er die Notwendigkeit des Kompromisses klar erkannt – (hatte er ihn nicht schon geschlossen, als er sich für die Bank dieses Succetti-Pascha werben ließ?), sah er ihn überall, und in seiner Ausübung lag alle Kunst, lag die große und einzige Kunst dieser politisch so wankelmütigen und geschäftlich so vielfarbigen Tage.
    Ja, von seinem Finanzbuch aus, als kleiner, schlecht bezahlter Buchhalter, merkte er die Unruhe, die in dem Betriebe steckte, den Puls der Machinationen des jungenÄgyptens, die immer üppiger aufschießenden Umsaßtriebe, beherrscht von jener zahlen- und zukunftsschwangeren Nachricht, die die provisorische Vollendung des Staudamms meldete. Er kannte den pompösen Riegel, den man dem Wasser vorschob, um es zu zwingen, mit der aufgestauten Wucht eines Kubiklilometers seinen Segen durch ein Netz sinnreicher neuer Kanäle über ein doppeltes Areal kulturfähigen Bodens zu pressen... Dort war es gewesen, in Assuan, wo Daûd seine wildesten Herzaufwallungen ausgetobt; wo jener Tempel ertrank; wo der weiße Knabe ihn vor sich Hergetrieben und mit knapper Geste unter die Fuchtel gezwungen hatte: – die Fuchtel eben des jetzigen Regimes. Dagegen nützte keine Kraft; man mußte es schleichend anbohren und seinen Spionen mit gleich verstecktem Eifer Widerpart halten! Was nützte aufheulender Krampf, groteskes Zurschaustellen eigener Rassenohnmacht! Was nützte Gefühlsverschwendung diesem Maschinenvolk gegenüber, das das Land mit eraktem Griff an sich riß! Das dem Khediven keinen Thron, sondern nur einen kleinen Schemel zugestand, von dem aus er – Farce eines Herrschers – keine Ordern mehr ausgeben durfte als die, mit denen er sich als Privatmann bereicherte!
    Es dem Khediven nachzutun, sich wenigstens mit Geld zu verbarrikadieren, in der Eingeborenenregierung zu sitzen und englischen Subalternen die Zähne zu blecken – das war die Losung dieser Zeit. Den Geist beweglicher Semiten an Stelle dieser frostig kalten undin Hochmut erstarrten Gehirne zu setzen! In die meisten höheren Stellen waren bereits diese fremden, aufdringlichen Kuckuckseier gelegt, die in der überreichen ägyptischen Sonne in gleichem Tempo reiften wie all die netten panislamischen Pläne, die sie mit ihrer harten Schale aus dem Wege drückten!
    Denn dem eingeborenen Araber war das Geschäft von jeher Elementartrieb und willkommene Befeuerung seines trägen Daseins; nun endlich ist die Zeit da, das Großgeschäft klopft an seine Tür, und er möchte gern heran! Jetzt verschmäht er keine Zinsen mehr; jetzt wird er euch zeigen, ihr bleichen Fischblütigen, daß er gleich euch zum Spekulanten geboren ist! Und es wird sich zeigen, womit man mehr erreicht, mit verschmitzter Kombination hinter brauner Stirn oder mit eurer billig zugreifenden Grobheit! – – – – – –
    Mit dem Publikum war Daûd trotz seinem Verlangen noch nicht in den Schalterkontakt geraten, der Einblick in den Umsatz einer Bank gestattet. Succetti-Pascha beeilte sich auch noch nicht, ihn avancieren zu lassen; allem Anschein nach war er zu schwer beschäftigt, um die Wahl neuer Kandidaten für das nächsthöhere Vertrauensfach in Berechnung zu ziehen. Da wollte es der Zufall, daß Daûd einmal ins Office trat, als Succetti-Pascha schlief.
    Mehrere Dokumente lagen offen auf dem Tisch. Daûd wollte sich zunächst empfehlen, um den Machthaber nicht zu stören. Der Direktor hielt die

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