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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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zersprengten Puderschicht mit einem Schlag tausend tief eingeätzte Fältchen hervortraten, Fältchen, die jeden weichen Zug zerstörten ... und was blieb übrig? Eine kleine, von Leid und zuckendem Argwohn verheerte Fratze!
    Sie sprach jetzt weiter, und ihre Stimme war kalt und höflich: »Verzeihen Sie, Hassan-Muharram, ich wollte mit der Mitteilung, daß Sie mein Sohn sind, keine Szene herbeiführen, wenn sie auch rührend und vielleicht von Ihrer Seite aus verständlich wäre. Ich will mich lediglich mit Ihnen bekannt machen. Ichhörte dies oder jenes über Sie ... waren Sie nicht noch vor kurzem der Kompagnon Succetti-Paschas?« Sie zog hier die Augenbrauen sehr hoch, und etwas wie ein frivoles Lächeln entstellte flüchtig ihren Mund...
    Hassan nickte. Seine Lippen waren blutleer.
    »Ah, das ist richtig. Sie sollen mit großem Geschick spekuliert haben, wenn auch die Unternehmungen sich nicht alle als ganz sauber erwiesen ... Sie haben sich als brillanter Geschäftsmann bewährt ... Man redet einiges über Sie, über Ihre Gewohnheiten, über Ihren Verkehr ... Sie erregten bereits mein Interesse, bevor ich den Zusammenhang zwischen uns entdeckte. Man bedarf Ihrer, und das macht Sie immun. Sie sind sehr klug ...«
    Ihr Gesicht hatte wiederum jeden Ausdruck eingebüßt. Und zwischen beiden saß wie ein Tier mit hundert geschlossenen Augen ein Rätsel, ein dürres, widerliches Rätsel.
    Er gab zunächst noch keine Antwort, wohl auch, weil sie keine erwartete; dann aber fuhren seine beiden Hände in die Höhe; er hob sie gespreizt an beide Schläfen, als ob ihn der Kopf schmerze, und unduldsam, schier bellend, brach seine Frage hervor:
    »Mein Gott – worüber reden Sie? – Sind Sie nicht meine Mutter? – Warum vergönnen Sie mir nicht, Ihre Hand zu küssen?«
    Sie wich wiederum etwas zurück. Sie zupfte den Schleier halb übers Gesicht und sprach dann farblos:
    »Ich liebe Sie nicht.«
    »Warum? O Erbarmer! So reden Sie!«
    »So hören Sie mich ruhig an.« – Sie drückte auf eine Perlmutterklingel. Ein grauer, dicker Mann wälzte sich lautlos herein.
    »Achmed! Kaffee! Zigaretten!«
    »Aiowa!« sagte der dicke Mann und rollte ebenso lautlos wieder hinaus, grotesk behend. Hassan hatte bemerkt, daß ihm jeder Anflug von Bart fehlte.
    »Ich bin von bester Abkunft«, fuhr sie fort. »Ich bin die Seijide Ali-Jussef, eine Tochter des früheren Schêsch-es-Sadât. Daher haben Sie von mir das beste Blut geerbt; Sie sind zur Hälfte hochadlig, mein Herr; Sie sind ein Nachkomme des Propheten ... Aber setzen Sie den grünen Turban nicht auf, er würde nicht auf Ihr Haupt passen. Oder wenn Sie es tun, so ergeben Sie sich durchaus einem reizenden Müßiggang und verzichten auf Börsengeschäfte. Aber ich glaube, Sie werden daran noch keinen Geschmack finden!« Ihre Nasenflügel vibrierten leicht.
    »Zur anderen Hälfte sind Sie jedoch der Sohn eines – – – Kutschers, eines Berberiners ... Erschrecken Sie nicht. Es ist so. – – – Ich war fünfzehnjährig und sehr schön. Man gab mir eine französische Begleiterin, und ich liebte es, in geschlossener Equipage auszufahren, um dann später außerhalb der Stadt die Vorhänge zu öffnen und herauszuspähen. Man hielt mich außerordentlich streng ... Ich lebte in einem Gefängnis,in jedem Luxus zwar, aber in völliger Unkenntnis der Welt. Die Französin (vor Angst bebend, denn auch unsere Unterhaltungen wurden hinter den Wänden überwacht) weihte mich in manches ein, doch naturgemäß nur unvollkommen. Ich war sehr sinnlich. Und diese Aufklärungen hatten nur den Erfolg, daß diese Triebe maßlos gereizt wurden und eine frühzeitige Neugier nach dem Unverstandenen mich mit entnervender Wollust schüttelte ...«
    Sie verdrehte die schönen Augen, und ein Krampf lief ihr über den Leib.
    »Jene Equipage benützten wir täglich. In ihrer seidenen Gruft, in dem Verlies zwischen den Polstern herrschte Stille – freuen Sie sich, Hassan-Muharram, daß Sie sie nie gekannt haben ... diese Stille ...! – und draußen tobte das Leben. Wir führten mit Vorliebe erregende Gespräche und sahen durch die Spalten auf die Straße heraus. Bei Gott, Hassan-Muharram, jeder Lastträger, jeder Gemüsehändler war damals eine Sensation für uns.« Ihre Stimme wurde leiser.
    »Da geschah es, daß wir einen größeren Ausflug machten. Unser Kutscher verirrte sich in die Gegend, wo heute Meadi liegt. Wir hielten auf offenem Feld. Ich wagte es herauszutreten, da er uns keine Antwort gab. Er

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