Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
Vom Netzwerk:
Hauspantoffeln gegen knappe Lackschuhe um. Dann schwebte er voraus und brachte ihm mit weicher Unterwürfigkeit den Tarbusch und einen Stock mit dickem, goldenem Knopf. Draußen regten sich die Bauwabs: heisereWeisungen pflanzten sich durch den Garten fort, und nach fünf Minuten stand das Gefährt bereit.
    Es war erst vier Uhr nachmittags, aber es drängte den neugezimmerten Bei, seine junge Würde spazierenzufahren. Noch auf der Brücke zögerte er, wohin er sich zunächst wenden solle, dann befahl er: »St. James«.
    Als er ankam, war das Lokal leer. Sogar der deutsche Barkeeper war zu dieser Stunde durch einen Nubier ersetzt.
    Hassan-Bei hatte dies gewußt, aber gleichwohl verstimmte es ihn ein wenig. Er hatte gehofft, wenigstens einen seiner Freunde anzutreffen.
    Da er das zweite Frühstück (er pflegte sich erst um ein Uhr zu erheben) noch nicht zu sich genommen hatte, so nahm er einen Gin, um den Appetit zu reizen, bediente sich mit zwei Sandwichs und einem halben Huhn, nahm noch einen Gin und überlegte dann, wem er das Dekret zeigen solle. Er kam zu dem Ergebnis, daß er sich wohl oder übel darein fügen müsse, diese Genugtuung noch etwas hinauszuschieben. Da ihn aber die Rückfahrt nach Hause durch die hitzeflammende Stadt augenblicklich nicht lockte, so blieb er noch und bestellte einen Whisky. Ein zweiter und dritter folgte. Er begann sich wohlzufühlen. Er lauschte einer Fliege, die in Zickzacklinien um den Lüster summte, mit geneigtem Kopf. Zwischendurch betrachtete er seinen Stockgriff. Ein Gefühl der eigenen Wertschätzung durchdrang ihn bis in die letzten Verzweigungen seines Innern. Der neue Titel durchtränktesein Wesen wie eine teure Essenz einen Schwamm. »Sieh da,« dachte er, »auf diesem Punkt bin ich nun. Mein Vermögen wächst. Ich werde schon jetzt kaum mit den Zinsen fertig. Ah, wie glatt ist das alles gegangen! Wie glatt, wie schön!« Er hob die Hand und ließ sie mit leichtem Knall auf den Schenkel zurückfallen.
    Im Laufe der nächsten Stunden nahm er den Alkohol wie ein Uhrwerk zu sich. Der Nubier wartete bereits keine Bestellung mehr ab, sondern bediente ihn lautlos und ungerufen. Zwischendurch schob der Bei eine kleine Folge wirkungsvollerer Mischungen ein.
    Als er sich erhob – unter einigen Schwierigkeiten –, war es sechs Uhr geworden; und die ersten Gäste – Engländer – traten ein. Er musterte sie mit gleichgültigem Blick und warf sich in seine Kalesche.
    Er hatte die Empfindung, daß eine ausgedehntere Fahrt seinem Kopfe nicht schaden könne. Deshalb sagte er: »Gizê«. Die Pferde, hübsche Apfelschimmel, zogen an, und der Wagen rollte dahin.
    Als er an der Kaserne vorüberkam, lehnten die Scotchmen wie stets in den Fenstern; und aus dem Hintergründe drang unendliches Dudelsackleiern, eine fatalistisch-monotone Geräuschwelle. Gesindel aller Art drängte sich an den Umfassungsmauern und sah in den Hof hinab, wo man Vorbereitungen für einen großen Fackel-Tattoo traf. Er schloß vorübergehend die Augen.
    Als er sie wieder auftat, befand er sich auf der Brücke Kasr-el-Nil, mitten im Trubel des Korsos. Das behagteihm. Er nahm eine noch bequemere Stellung ein, er bettete die Füße auf den Raum, den der Berberiner auf dem Bocke ließ, und entzückte sich an seinen mattblauen Seidenstrümpfen. Zwischendurch spähte er in die Wagen, die an ihm vorüberkamen, und die er überholte. In seinen Schläfenadern klopfte die Hitze der genossenen Getränke; sein Hirn steckte in einem Nebel. Eine ungeheure Leichtigkeit des Lebens beschwingte ihn; allen Dingen im Umkreis fehlte das Gewicht; die Geräusche der rollenden Räder, das unaufhörliche Getrappel der Tausende von Hufen verschmolzen zu einer eintönigen Symphonie, in der seine Eitelkeit das Solo sang. In dem Trubel dröhnte das Wort »Bei«. Er schwamm breit über dieser Kette von Kaleschen ... Nach rechts und nach links entsprangen seinem Hirn braune Putten in kurzen Röckchen, mit gelben Kopfbinden und Gerten in der Hand, mit denen sie herrisch fuchtelten ... Und sie strampelten und hüpften neben und vor dem Wagen her und schrien mit dünn gellenden Stimmchen: »Platz für den Bei! Uah, Platz für den erlauchten Herrn Bei!«
    Und Hassan betrachtete seine Strümpfe, schnippte mit dem Finger ein Stäublein von seinem hellgrauen Flanellanzug und bohrte sich selbstvergessen lächelnd eine Zigarette in den Mundwinkel ... Ein Zweigespann hastete stramm vorüber; im Fond saßen Abu-Katkûs und Habib-Mos-Tizi ... Als er sie

Weitere Kostenlose Bücher