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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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hatte sich völlig an Raki betrunken und schlief auf dem Bock.
    Zunächst waren wir ratlos. Es war eine Situation, wie wir sie vorher nie erträumt: wir waren frei !!«Der Eunuche erschien und brachte zwei Schalen Mokka und eine Schachtel Zigaretten.
    »Wie es weiterging? – Eine leere Droschke kam uns entgegen. Es war spät geworden. Wir baten den Kutscher, uns zurückzufahren, und er schleppte den Betrunkenen auf seinen Bock und setzte sich auf den unseren, da wir die Equipage nicht zu verlassen wagten. Es war das erstemal, daß ich mit einem Manne sprach, der nicht mein Vater und kein Verschnittener war ... Jener Berberiner mochte vielleicht glauben, er erweise uns einen Dienst: jedenfalls veranlaßte er trotz des heftigsten Widerstandes damals Ihre Existenz.«
    Sie schwieg. In ihrem Gesicht begann es haltlos zu zucken.
    »Unter Abbas dem Ersten«, fuhr sie fort, »geschah es, daß man selbst einen Engländer, der in seinem Harem hospitierte, lebendig eingrub. Ihrem Erzeuger, Hassan-Muharram, ging es noch schlimmer; denn er wurde in Stücke geschnitten, und gewisse Details von ihm bekamen die Schweine. Ich kann nicht sagen, daß ich ihm nachtrauerte. Er war ein struppiger Halunke und hatte nicht die geringsten Manieren. Außerdem war er schuld an vielem anderen, was ich Ihnen noch erzählen muß.«
    Sie schöpfte Atem. Ihr Gesicht verzog sich mehr und mehr zu einer gramvollen Maske.
    »Natürlich wurde die ganze Angelegenheit vertuscht. Kurze Zeit darauf entführte mich Achmed-Abd-el-Gawad. Sie werden vielleicht von dem Prozeß gehörthaben, den dieser Skandal hervorrief. Er konnte sich loskaufen (er hatte schon damals großen Einfluß), und so behielt er keinen Unrat im Kalender. Nun ist er tot – Allah vertilge sein Gedächtnis, möge die Ruhe ihm versagt bleiben!
    Er war nicht viel besser als der Berberiner. Er war intelligent! Der Khedive machte ihn zum Schêsch-es-Sadât, zum Nachfolger meines Vaters.« Zischend fuhr sie fort: »Er machte dieses Schwein zum Adelsmarschall ... Ah, ich spuckte ihn an, wenn er mit seinem Blute prahlte und seine Fellachenherkunft ihm dabei noch aus allen Poren stank! – Denn ich, ich wußte, woher er stammte! Ich habe das am eigenen Leib erfahren! Ich habe es ihm ins Gesicht gesagt, daß sein ganzer Stammbaum von käuflichen Ulama fabriziert war!«
    Sie schöpfte erbleichend Luft und kämpfte mit einem kurzen Asthma.
    »Er schob dem Khediven unter der Hand gute Landverkäufe zu, kurz, er war die Seele jeder auffallend geglückten Spekulation, mithin eines auch von Ihren Vorbildern, Hassan-Muharram! – Doch was erzähle ich Ihnen Dinge, in denen Sie notorisch längst versiert sind!« setzte sie mit zynischer Höflichkeit hinzu. »Es handelt sich ja auch nicht darum, daß Sie das erfahren, sondern ich will Ihnen nur erklären, warum ich Sie als mein leibliches Kind nicht so empfangen habe, wie Sie es wünschten!Als er mich damals entführt hatte, gab ich mir keine Mühe, ihn darüber zu täuschen, daß ich keine undurchbohrte Perle mehr sei. Ich wußte, daß er um der Vorteile dieser Heirat willen nicht wagen werde, mich zu brandmarken und zurückzuschicken, und zudem hatte er ja bereits mit meiner Entführung das Äußerste riskiert. Er hatte sich als einen ansehnlichen Menschen von leidlichen Manieren gezeigt, dem ich nicht ganz wider Willen gefolgt war. Aber als er die bewußte Entdeckung machte, wurde er vulgär.« Sie streifte den Ärmel zurück und zeigte auf dem mattglänzenden, mageren Arm eine riesige Narbe, die sich vom Handgelenk bis zum Ellenbogen hinzog. Ihre Stimme gewann an Heftigkeit; ihr Französisch nahm rauhe, krächzende Nasentöne an, wie sie nur die Hafensprache kennt ...
    »Er warf mich hin und her wie ein Stück Holz. Er brüllte wie ein Viehtreiber. Er gebrauchte unaussprechliche Beschimpfungen ... Und als ich Sie gebar – ich wundere mich, daß ich Sie überhaupt lebend zur Welt brachte! – verschwand er mit Ihnen. Ich nahm damals an, daß er Sie wie eine Katze ersäuft habe. Ihretwegen habe ich Undenkbares erduldet. Gewiß, Hassan-Muharram – Sie sind nicht schuld daran. Aber Sie gestatten mir wohl, Ihnen zu sagen, daß ich Sie nicht gern geboren habe. Ja, damals haßte ich Sie und war einverstanden damit, daß ich Sie nicht zu säugen brauchte ... Er ersparte mir nichts. Er nahm keine zweite Frau; aber ich war auf das Mit- **leid seiner Mätressen angewiesen!!« Sie erhob sich jetzt und schwenkte die Hände über dem Kopf; sie kreischte aus voller

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