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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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geschlossenen Gesellschaft angliederte. Diese Stille hatte den Zweck, in Hassan das Gefühl zu erregen, als werde ihm der Boden ostentativ mit einem Ruck unter den Füßen weggezogen. Der alte Herr lächelte mit einer
    gewissen Beharrlichkeit und sah mit seinen blauen Augen umher, gleichsam, um für stummes, humoristisch ablehnendes Übereinkommen in diesem Fall zu plädieren. Hassan fühlte nicht, wie rapid er die Bahn herabglitt, auf die man ihn mit diesem Blick setzte.
    Man übersah ihn in der Folge auch diesmal gänzlich. Der Manager, der mit Likören umherging, geriet in Bedenklichkeit, welches wohl die richtige Form sein werde, sich dem Herrn wiederum zu nähern. Die Entschlossenheit, mit der Hassan hereingekommen war, erweckte immerhin den Eindruck, als stehe er zu denGästen in einem Konnex, dessen Artung sich ja zweifellos klären werde.
    Nunmehr spürte eine junge, vielleicht achtzehnjährige Dame, daß sich irgend jemand intensiv mit ihr beschäftigte. Sie war sich zunächst nicht klar, woher die Beeinflussung stammte, die sie dunkel empfand, und während sie die Augenpaare in ihrer Umgebung unauffällig durchmusterte, bemerkte sie, daß die Blicke eines Orientalen an ihr hingen. Dieses Gesicht kam plötzlich in ihre Nähe; es war hellbraun, blank und leicht von Schweiß bedeckt. Sie empfand eine kurze Bestürzung, während der Herr, der vor ihr stand, unausgesetzt und etwas albern lächelnd, seine sehr schönen weißen Zähne zeigte.
    Jetzt kam ihr zum Bewußtsein, daß er sprach, in einem sonor singenden Tonfall; es war englisch von einem Akzent, der dem Charakter der Sprache seltsam zuwiderlief, gleichwohl aber nicht unschön wirkte.
    »Ich täusche mich doch wohl nicht ...?« sprach dies vorsichtig lächelnde Gesicht. Es war vollkommen glatt, von einer Glätte, wie sie sonst nur die weibliche Haut besitzt! Die Augenbrauen gingen unaufhörlich darin auf und nieder; es waren zwei besinnliche Brauen, und es sah aus, als spiegelten sich die Gedanken hinter dieser weichen, etwas sorgenvollen Stirn schattenhaft auf der Außenseite ab. – »Ich bin froh! ... Ich bin außerordentlich froh! Habe ich nicht die Freude, Miß Jane Aldridge ...??« Eine kleine, runde Hand tastetenach der Stirn, deutete eine Begrüßung an; und danach warteten die Augen auf die Erwiderung. Es schien, als ob sie sich verdunkelten; sie warteten blinkend schwarz, und für einen Moment schien es nicht ersichtlich zu sein, wohin der Herr eigentlich blicke ... Die junge Dame zog die noch knabenhaft mageren Schulterblätter zusammen (ihr Kleid war ein wenig ausgeschnitten); sie war ratlos, und gleichzeitig fühlte sie einen leichten Chok, als taste jemand plump an ihre leuchtende Haut.
    Man war einen Schritt zurückgetreten. Beide befanden sich allein in einem Ring von schweigsamen Gentlemen, die mit einer amüsierten Sachlichkeit den Verlauf der Annäherung auskosteten. Sie musterten den Bei recht gründlich und waren sich alsbald klar, daß er nicht vollkommen nüchtern sei ... Ein leiser Unmut lag allerwärts in der Knospe; man witterte eine phänomenale Ungehörigkeit; doch war noch nicht der Zeitpunkt gegeben einzugreifen. Einige wollten bemerkt haben, daß dieser Mann schon vorher auf der Terrasse gesessen habe, und daß er schon dort nicht ganz so ausgesehen habe, wie man im allgemeinen zu einer verhältnismäßig noch frühen Tageszeit auszusehen pflegt.
    So setzte denn die junge Dame der Begrüßung ein großes Fragezeichen entgegen. Sie drückte es in der unbeteiligten Kälte ihrer grauen Augen aus, wie auch dadurch, daß eine kleine nervöse Falte über ihrer Nase entstand. Sie sagte nicht einmal: »Verzeihung, aberhelfen Sie meinem Gedächtnis nach ...« Sie schenkte sich das; sie schwieg. Sie war überrumpelt, aber das machte ihr keine Beschwerden.
    Nun sagte der Herr mit flehender Stimme: »Erinnern Sie sich nicht an mich?« – Du lieber Gott, an wen sollte sie sich erinnern! Sie warf den Kopf zurück und sagte ohne jedes Entgegenkommen: »Ich erinnere mich durchaus nicht.« – Und sie sah sich um. Ein kaum sichtbares Lächeln, das um die Zigarettenmundstücke ringsum aufblühte, warf einen kleinen Widerschein auf ihr hübsches und sehr strenges Gesicht.
    Nun regte der Herr die Hände. Es tat ihm offensichtlich wohl, daß er das durfte. Er legte die gespreizte Rechte beschwörend auf die Brust, und während er die Linke gleichfalls gespreizt zur Seite streckte, stieß er hervor: »Ah, Sie hatten einen guten Appetit! Ich

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