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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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versorgte Sie mit Süßigkeiten; Sie vermochten erstaunlich viel zu ertragen! Ich hatte darüber zu wachen, daß Sie sich nicht übernahmen, Miß Jane!« Seine Augen schwammen in Wasser, etwas wie eine tiefe Überzeugung, daß sich nun alles zum Guten wenden werde, beflügelte seine Gesten, die immer abgerissener, immer beschwörender wurden ... »Sie werden sich erinnern! Sie waren sehr klein ... Aber sehr tapfer! Ich brachte Sie nach Gezirê hinaus; ich führte Sie an der Kaserne vorüber; das war eine schöne Zeit! – Sie hatten tausend Wünsche, und ich hatte kaum Beine genug, um Sie zufriedenzustellen ... Nun werden Sie sich erinnern!« Er lächelte verzückt und vergaß, daß er dieHand noch genau in der Haltung beließ, durch die er angedeutet, wie klein sie damals gewesen sei ...
    Ein kurzes, dankbares Gelächter erhob sich. Breites Schmunzeln blieb zurück. Dieser Mensch war in der Tat ganz amüsant. Nur Jane empfand das nicht; das zarte Pfirsichrot ihres Gesichts vertiefte sich, und dann sagte sie plötzlich mit einer hochsingenden Stimme: »Ah, jetzt erinnere ich mich. – – – Sie waren ja Laufjunge bei uns. Sie scheinen das vergessen zu haben ...« Und mit einem kleinen, spitzen Gelächter sah sie ihn noch einmal von oben bis unten an, spielte mit den Fingern an der dünnen Perlenkette ihres zarten weißen Halses, schloß die Wimpern halb in dem schmalen Gesicht und wandte sich ab. Hassan sah ihre knabenhaften Schulterblätter noch flüchtig emporrücken; dann wurden sie von den schwarzen Anzügen verschlungen, die sich hinter ihnen schlossen.
    Der Bei blieb stehen und sah ihr verstört nach. Dann kam ihm die Geringschätzung zu Bewußtsein, die ihm von einem Weibe widerfahren war. Oh, das war nicht das erstemal; auch jene Kokotte in der Sphinxbar, die er nicht vergessen konnte, hatte ähnlich zu ihm gesprochen ... »Oh, daß ich diese Inglîz noch immer nicht kenne! Das hätte ich wissen müssen!! Das hätte ich wissen müssen ... Nun meckern sie, nun tun sie sich etwas darauf zugute ...« So überstürzte sich der Strudel seiner kurzen, vagen, irren Gedanken, während er isoliert im Saal stand und eine ungeheure Wut ihn befiel.
    »Was ist das! – Wie begegnet man mir! – Was soll das bedeuten! – Ich bin Hassan-Bei-Muharram!« – Er schüttelte das Haupt wie ein gepeinigter Stier, der allein in der Arena steht und nicht weiß, in welche Richtung er die Hörner senken soll ... Nach einer kurzen Weile löste sich ein junger Herr aus dem Hintergrunde und kam auf ihn zu. Er war gebräunt, sehnig und hübsch. Über seiner Stirn rührte sich ein emporgekämmter Bausch blonden Haares wie seidener Distelflaum, und unter den hellen, halbgesenkten Wimpern blitzten saphirblaue Augen ...
    »Ich heiße Aldridge«, sagte er. »Ich bin der Bruder der Lady, mit der Sie sich soeben ... unterhielten. Kommen Sie auf die Terrasse. Vermute, daß Ihnen frische Luft nützen wird.«
    Der Blick des jungen Mannes war maßlos hart.
    Geld her, klirrendes Geld! – Ich will ihn damit bewerfen, bis er blutet! Hassan starrte ihn mit grellen Augen an ... Wo ist der Knabe, dem er einst die Nägel ins Gesicht schlug, als er sein Gebet zerschrie? – Sieh her! Hassan! – Er spielt nicht Verstecken! Da ist er, da! Ha, ich will ihn erwürgen, diesen Knaben! Denn nun ist auch er einer von diesen Verruchten geworden, die sich unantastbar dünken!!
    Aber erstaunlicherweise geschah folgendes: Er schwieg, senkte den Nacken und folgte. Die Glastür schloß sich. Man stand sich in einer mangelhaften Beleuchtung auf der Veranda gegenüber. Fern schluchzte ein brünstigerEsel. Das Schwatzen zweier Beduinen auf der Straße klang seltsam deutlich, als ständen sie nur wenige Meter entfernt.
    »Setzen wir uns«, sagte Percy gewissermaßen jovial. »Soviel ich mich erinnere, kennen wir uns.«
    »Ja, ja, ja!« sagte der Bei. Er wiederholte es noch drei-, viermal, er berauschte sich an diesem Ja, es steckte eine satte Beteuerung darin und hörte sich an wie eine ganze Prozession von bekräftigenden Phrasen und Bildern, die alle dasselbe enthielten. »Wir kennen uns! – – Sie haben recht, Aldridge! – Ich war ein Eseljunge; war Ihr Sklave ... Gut, gut! – Ich tat einmal, was Sie wollten! ... Aber es ist wohl ersichtlich, daß sich die Verhältnisse geändert haben!«
    »Denke kaum«, erwiderte der junge Mann mit ernster Stimme und stäubte seine Zigarette ab. »Abgesehen von Ihrer heutigen Taktlosigkeit war es nicht gerade angebracht von

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