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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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aufgeblasenen Wächter, der ihm diese Welt verstellte, auf die Seite drängen, umständlich morden, mit Geld, viel klirrendem Geld bewerfen, bis er blutend umfiel und ihm Platz machte! Jetzt konnte er ihm mit dem Schuh in den Nacken schlagen und die Drehtür zertrümmern, unaufhaltsam und üppig das Recht sich raubend, das man ihm verweigern wollte!
    Er machte einen kleinen Lärm. Der französische Kellner, der ihn seit einiger Zeit gedankenvoll betrachtet hatte, näherte sich ihm sehr schnell.
    »Man hat dort drinnen eine kleine Festlichkeit?«
    »Ja ...«, erwiderte der Mensch. »Geburtstag des Königs. Alle Welt ist jetzt bei dem Tattoo im Kasernenhof. Ich würde Ihnen empfehlen hinzufahren; es ist sehenswert ...«
    »Aber es gefällt mir besser hier«, erwiderte Hassan eigensinnig.
    Der Kellner sann nach und blickte ihn schief an. »Aber es gibt hübsche Weiber dort ...«
    »Man will mich entfernen«, dachte Hassan und erwiderte den Blick des Kellners mit jener Stumpfheit im Ausdruck, hinter der ein Ägypter seine Empfindungen undurchdringlich verkapselt. Er beschloß zu bleiben und sich vorläufig nicht wegtreiben zu lassen; man werde ja sehen, daß das nicht so einfach wäre ... Immerhin war die Anspielung des Franzosen nicht ganz zu überhören. So sagte er denn: »Weiber? – Eh bien! Weiber gibt es überall. Auch hier.«
    »Ganz gut«, sagte der Kellner und kämpfte mit einem Lächeln. »Aber diese hier sind nichts für Monsieur. Sie lieben gewiß ein anderes Genre.«
    »Ich liebe jedes Genre, zu dem mich gerade die Laune treibt«, war die halsstarrige Antwort. Hassan drehte sich samt seinem Stuhl herum und sandte seinen trägen Blick durch die Glastür. In dieser Haltung war er eine peinlich isolierte Einzelerscheinung im Rahmen der Tür, und die primitive Kontrolle, die er an den Herrschaften da drinnen übte, war zweifellos nicht gehörig. Der Kellner wurde ratloser, trotzdem versuchte er es weiter mit einschmeichelnder Liebenswürdigkeit. Denn das erschien ihm das beste Mittel, den offenbar stark betrunkenen Herrn zu zügeln und abzulenken.
    »Verzeihung, Monsieur«, sagte er leise. »Dieser Platz war nicht in Berechnung gezogen ... Sie inkommodieren sich selbst ... Denn gesetzt den Fall, man promeniert später und geht hier aus und ein, so würde man die ausdrückliche Bitte an Monsieur richten müssen, sich abseits zu setzen ...«Es erfolgte keine Antwort.
    Der Kellner, nun aufrichtig nervös, tanzte umher. Er zerknitterte seine Serviette; in seiner Schürze sah er aus wie ein weißer, gepeinigter Geist, der ruhelos an der Peripherie eines Bannkreises irrt, den ein anderer um sich gezogen. Seine Stimme nahm eine Fistelfärbung an.
    »Monsieur!« stieß er hervor und rang seine dünnen, unpersönlichen Kellnerhände. »Belieben Sie sich abseits zu setzen ... Man bemerkt Sie da drinnen bereits ... Es ist nur Ihretwegen ... Dies ist eine geschlossene Gesellschaft ...«
    Hassan rührte sich nicht. Auf einmal zischte es aus ihm hervor: »Laß ... mich ... in Ruh ... alkûs ommak!«
    Der weiße Geist taumelte zurück, machte einige völlig verzweifelte Bewegungen und begann gerade darüber ins reine zu kommen, daß es das beste sei, den Manager herbeizurufen, als er mit Entsetzen bemerkte, daß der Eingeborene dort Anstalten machte, sich zu erheben und auf das Vestibül zuzuschreiten ... Drinnen kam man soeben vom Dinner zurück und gruppierte sich zwanglos, teils stehend, teils in Korbstühle gebettet.
    Man spürte einen Luftzug, der eine kurze Bresche in den Rauch der Importen riß; man empfand es fatal, denn man war erhitzt, und draußen war es immerhin etwas kühl geworden. Die Glastür hatte sich geöffnet, und während man sich anschickte, einen Nachzügler zu begrüßen, und die Köpfe wandte, ward manmit Erstaunen inne, daß ein Herr im Tarbusch, in hellgrauem Tagesanzug erschien. Man nahm an, daß er von einem der jungen Offiziere geladen sei, wiewohl dies als Stillosigkeit empfunden wurde.
    Niemand begrüßte ihn. Er hingegen begrüßte die ganze Gesellschaft. Er ließ ein verschmitztes Augenlächeln im Kreis umherwandern und setzte sich dann unmotiviert mit einem leisen Krach auf einen Korbstuhl, an das Tischchen eben desjenigen weißbärtigen Herrn, den er vorhin um Feuer gebeten hatte.
    Eine Stille entstand. Man suchte sich offenbar im ganzen Saal für einen Augenblick darüber klar zu werden, welcher Zufall das fremde Element hereingeweht habe, das sich so heiter und selbstgefällig der

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