Der Sarg: Psychothriller
weißen Kreuz darauf, wohl eine Art Verbandstasche. Auch sie war größtenteils mit Schimmel überzogen. Eva ließ den Deckel fallen und wandte sich der zweiten Box zu, die direkt daneben stand. Dabei ertappte sie sich, wie sie einen Blick zur Seite auf den Sarg warf. Sie hatte das Gefühl, die Anwesenheit der toten Frau körperlich zu spüren, es war fast, als starre die Leiche sie durch die Sargwände hindurch an.
In der zweiten Box sah es ähnlich aus wie in der ersten, und es roch auch genauso. Eva wollte den Deckel schon wieder angeekelt fallen lassen, als ihr Blick auf etwas fiel, das sie vor Schreck erstarren ließ.
Auf einer halb verfaulten Pappschachtel lag ein gut erhaltenes Foto ihrer Stiefmutter.
53
Menkhoff saß zusammen mit Reithöfer im Büro seines Chefs.
»Ich weiß nicht, was ich von der Geschichte halten soll«, sagte er und sah von seiner Kollegin zu Brosius. »Der Mann macht auf mich den Eindruck, als würde er die Wahrheit sagen, aber … Vielleicht gibt es da einfach eine Frau, die Eva Rossbach sehr gleicht.«
»Was immer noch die Frage aufwirft, wer ihn niedergeschlagen hat, als er die vermeintliche Frau Rossbach an der Bushaltestelle getroffen hat«, bemerkte Brosius. »Und warum derjenige das tat.«
»Vielleicht ist diese Britta eine Nutte, und ihrem Zuhälter hat es nicht gefallen, dass unser Herr Schmidt ihr nachsteigt, ohne zu zahlen.«
»Und wenn er recht hat?«, warf Reithöfer ein, woraufhin Menkhoff ihr einen verständnislosen Blick zuwarf. »Wie, was meinst du damit?«
»Na, dass es tatsächlich Eva Rossbach war, die sich als Britta ausgegeben hat.« Reithöfer wirkte fast ein bisschen trotzig auf Menkhoff.
»Du denkst, Eva Rossbach führt ein Doppelleben? Mensch, Jutta, überleg doch mal … Aber gut, was soll’s. Lass uns das durchspielen. Da haben wir die stinkreiche Frau Rossbach, die ein bisschen … sagen wir mal sonderbar ist. Sie feiert keine Partys, hat nichts mit dem Kölner Jetset zu tun, man trifft sie in keinen Schickimicki-Kneipen, nichts. Man könnte sagen, sie führt ein langweiliges Leben. Und weil ihr Leben so langweilig ist, zieht sie sich eine rote Perücke und billige Klamotten an, schminkt sich nuttig und stürzt sich als Britta ins pralle Leben? Ach so, dabei verändert sie noch die Stimme und redet auch anders als Eva Rossbach. Glaubst du das wirklich? Entschuldige, aber wenn das der Fall sein sollte, kann ich meine Menschenkenntnis eintüten.«
Reithöfer hatte ihm geduldig zugehört, ohne auch nur den Ansatz zu machen, ihn zu unterbrechen. Nun sah sie ihn fragend an. »Fertig?«
»Ja, fertig.«
»Nein, das glaube ich nicht.«
Menkhoff sah verwundert zu Brosius, der mit den Schultern zuckte, was wohl bedeuten sollte, dass er auch nicht wusste, was Reithöfer meinte. »Wie, was denn sonst?«
»Was ist, wenn Eva Rossbach gar nichts von Britta weiß?«
Noch immer verstand Menkhoff zunächst nicht, was sie meinte, doch dann begann es ihm zu dämmern. »Du glaubst, sie hat eine Persönlichkeitsspaltung?«
»Ja, ich halte das für möglich. Ich kenne mich auf diesem Gebiet nicht gut aus, aber ich weiß, dass diese Sache auftritt, wenn Kinder stark misshandelt werden, als eine Art Selbstschutz.«
Brosius’ Telefon läutete, er hob ab, hörte kurz zu, sagte: »Alles klar, danke«, und legte wieder auf.
»Als hätte er sein Stichwort gehört: Dr. Leienberg ist zu sich gekommen. Er ist ansprechbar.«
Menkhoff sprang auf. »Na, endlich mal eine gute Nachricht. Auf geht’s.«
Für die Strecke vom Walter-Pauli-Ring bis zur Uniklinik in der Kerpener Straße brauchten sie mit eingeschaltetem Blaulicht knappe fünfzehn Minuten, weitere zehn Minuten später betraten sie das Zimmer auf der Intensivstation.
Leienberg hing an mehreren Infusionen, und sein Kopf war einem Turban gleich mit einem dicken Verband umwickelt. Seine Gesichtshaut war so bleich wie das Bettlaken, sie wirkte dünn, fast transparent. Menkhoff und Reithöfer traten an sein Bett heran, und Menkhoff ließ seinen Blick über die Apparaturen gleiten. »Sieht ja gefährlich aus hier. Wie geht es Ihnen?«
Leienbergs Stimme klang überraschend fest, als er antwortete: »Mir scheint, die Bekanntschaft mit Eva Rossbach ist meiner Gesundheit nicht sehr zuträglich. Man hat mir gesagt, sie sei entführt worden. Das glaube ich nicht.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Menkhoff und ahnte doch im gleichen Augenblick schon, was der Psychiater ihnen gleich sagen würde.
»Ich bin
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