Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch
wem sie’s zu verdanken haben, das werden die Menschen nie erfahren.«
»Die Menschen nicht«, pflichtete der Kater bei, »und selbst wenn es ihnen jemand erzählen würde, sie würden es höchstens für ein Märchen halten.«
Abermals trat eine längere Pause ein, aber noch immer machte keiner von beiden Anstalten, sich zu verabschieden. Sie blickten zum funkelnden Sternenhimmel auf, und es kam ihnen beiden vor, als sei er noch nie so hoch und so weit gewesen.
»Siehst du«, sagte Jakob, »das sind jetzt die Höhen des Lebens, die dir bisher noch gefehlt haben.«
»Ja«, stimmte der Kater ergriffen zu, »das sind sie. Von jetzt an werde ich alle Herzen erweichen können, nicht wahr?«
Jakob streifte den schneeweißen, stattlichen Kater mit einem raschen Seitenblick und meinte: »Die von Katzen bestimmt. Mir genügt’s, zu meiner Elvira ins gemütliche Nest zu kommen. Sie wird Augen machen, wenn sie mich so sieht - jung und im Erste-Klasse-Frack.«
Er ordnete sorgfältig mit dem Schnabel ein paar abstehende Federn.
»Elvira?« fragte Maurizio. »Sag’ mal ehrlich, wieviele Frauen hast du eigentlich?«
Der Rabe räusperte sich etwas verlegen.
»Ach, weißt du, auf Weibchen is’ kein Verlaß. Man muß sich beizeiten mit einem Vorrat eindecken, sonst sitzt man am Ende ganz ohne da. Und einer, der nirgendwo zu Hause is’, braucht eben überall ein warmes Nest. Na, das verstehst du noch nicht.«
Der Kater tat entrüstet.
»Das werde ich nie verstehen!«
»Warten wir’s ab, Herr Minnesänger«, meinte Jakob trocken.
Das Glockenläuten verklang nach und nach. Sie saßen schweigend nebeneinander. Endlich schlug Jakob vor: »Wir sollten jetzt dem Hohen Rat Bescheid sagen. Danach kehrt jeder ins Privatleben zurück, und unsere Wege trennen sich.«
»Warte!« sagte Maurizio. »Zum Hohen Rat können wir immer noch gehen. Jetzt möchte ich gern mein erstes Lied singen.«
Jakob sah ihn erschrocken an.
»Ich hab’s kommen sehen«, krächzte er. »Aber für wen willst du eigentlich singen? Is’ doch kein Publikum da, und ich bin total unmusikalisch, bin ich.«
»Ich singe es«, antwortete Maurizio, »für Sankt Sylvester und zu Ehren des Großen Katers im Himmel.«
»Na schön« - der Rabe zuckte die Flügel - »wenn du unbedingt meinst. Aber bist du überhaupt sicher, daß dir da oben irgendwer zuhört?«
»Das verstehst du nicht, mein Freund«, sagte der Kater würdevoll, »das ist eine Frage des Niveaus .«
Er putzte noch einmal rasch über sein seidenglänzendes, blütenweißes Fell, strich sich den bedeutenden Schnurrbart glatt, nahm Positur ein, und während der Rabe ihm geduldig, aber verständnislos zuhörte, begann er seine erste und schönste Arie zum Sternenhimmel empor zu miauen.
Und weil er nun wunderbarerweise auch plötzlich fließend Italienisch konnte, sang er mit seinem unvergleichlich schmelzenden neapolitanischen Katertenor:
»Tutto è ben’ quell’ che finisce bene...«
Und das heißt auf deutsch:
E NDE GUT, A LLES GUT.
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Ende, Michael:
Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch/Michael Ende.
Mit Bildern von Regina Kehn.
Stuttgart; Wien: Thienemann, 1989
ISBN 3-522-16610-8
Gesamtausstattung Regina Kehn.
Schrift: Bodoni Old Face.
Satz: Steffen Hahn in Kornwestheim.
Reproduktionen: Die Repro in Tamm.
Druck und Bindung: Franz Spiegel Buch in Ulm.
© 1989 by K. Thienemanns Verlag in Stuttgart - Wien.
Printed in Germany.
Alle Rechte vorbehalten.
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