Der Schachspieler
Finanzmanager und Investmentguru. Außerdem betätigte er sich als Philanthrop und großzügiger Spender für wohltätige und kulturelle Einrichtungen, über die er mit den Reichen und Berühmten dieser Welt in Kontakt kam, den Filmstars und den Witwen mit tonnenweise Geld. Und sie alle waren entzückt von Hartzells Charme, seinem britischen Akzent und seinem – jetzt, da er auf die fünfzig zuging – würdevollen grauen Haar. Sie liebten die Geschichten von seinen Mittagessen mit Tony Blair, seinen Immobiliengeschäften mit Prinz Charles oder davon, wie ihm der Tod von Lady Di ans Herz gegangen war. Faszinierende Geschichten, die er mit einem Lächeln und einem Augenzwinkern erzählte und mit denen er augenblicklich die Herzen der Zuhörer gewann. Hartzell hatte sich tatsächlich neu erfunden, als genialer Schwätzer, der die unanständig Reichen dieser Welt zu bezirzen wusste. Wen interessierte es, dass seine Geschichten aus dem guten alten England allesamt erfunden waren?
Außerdem legten die meisten ihr Geld gar nicht direkt über ihn an, sondern über einen von zwanzig Hedgefonds, für die Hartzell das Vermögensmanagement besorgte. Das Leben war wunderbar. Hartzells komplizierte Algorithmen, auf denen seine Anlagestrategie beruhte, waren ein streng gehütetes Geheimnis: in diesen Zeiten der Unternehmensspionage ein absolutes Muss. Niemand wusste, dass Hartzell seine Erfolgsformel selbst von einem Italiener geklaut hatte, der vor hundert Jahren in die USA eingewandert war, einem gewissen Charles Ponzi.
Hartzell betrieb seinen Anlageschwindel so geschickt, dass niemand Verdacht schöpfte. Er versprach seinen Kunden moderate, aber regelmäßige Erträge, die er in Wahrheit vom Geld der neuen Kunden auszahlte. Er hatte sogar der Überprüfung standgehalten, die der Stümper Bernard Madoff ausgelöst hatte. Ein bisschen Schmiergeld an verschiedenen Stellen der Finanzaufsicht SEC sowie das schier grenzenlose Vertrauen seiner Anleger halfen ihm auch über diese kritische Phase hinweg. Außerdem war Hartzell so schlau, großzügige Spenden an beide politische Lager zu verteilen.
Hartzells Investmentberatungsfirma tätigte den Großteil der Anlagen nur zum Schein. Seine umfassenden Kenntnisse im elektronischen Trading halfen ihm, alle Spuren zu verwischen und Daten über angebliche Gewinne seiner Scheinanlagen zu fälschen. Um eventuelle Prüfer zu täuschen, mischte Hartzell sein persönliches Vermögen mit dem seiner Firma und den Investments der Anleger, während er immer mehr davon auf verschiedene Auslandskonten abzweigte.
Sein Idol, der legendäre P.T. Barnum, der im neunzehnten Jahrhundert die Leute mit seinen »Zirkusattraktionen« unterhielt und damit ein Riesengeschäft machte, lag mit seinem Motto Jede Minute wird ein Dummer geboren, den man ausnehmen kann , sogar noch daneben. Eher jede Sekunde – und selbst damit war die Schätzung noch tief angesetzt. Hartzell hatte kein schlechtes Gewissen bei seinen Geschäften, wenn er sah, wie sich die Manager eine goldene Nase verdienten, auch wenn sie ein Unternehmen in Grund und Boden wirtschafteten. Oder wenn Anwälte den Leuten das Geld aus der Tasche zogen und sich um Prozesse rissen, mit denen sie sich profilieren konnten. Wenn an den Universitäten die Studiengebühren in die Höhe schossen, sodass die jungen Leute nach dem Studium nicht nur ohne Job dastanden, sondern auch noch hoch verschuldet waren. Wenn die parasitären Lobbyisten heute die Politik in ihren Klauen hatten. Was waren das für Zeiten, in denen Politiker versuchten, einen Senatssitz an den Meistbietenden zu verkaufen? In denen ein ehemaliger Vizepräsident und Nobelpreisträger – dessen Privatnummer Hartzell übrigens in seinem Notizbuch hatte –, Millionen am Emissionshandel verdiente. Oder in denen das US-Sozialversicherungssystem nur noch nach der Masche des berüchtigten Ponzi funktionierte. In denen die Staatsschulden explodierten, während die Unfähigen und Korrupten sich mit goldenen Rettungsschirmen abseilten. Die Kinder, die in diesen Zeiten zur Welt kamen, ahnten nicht, mit welcher Schuldenlast sie ihr Leben in Angriff nahmen.
Was da ablief, war ein einziger Schwindel. Warum also sollte Hartzell sich nicht daran seinen Anteil sichern?
Und am Ende erwies er der Öffentlichkeit damit sogar noch einen Dienst. Mehr als zwei Jahrzehnte hatte er Leute mit geradezu unanständigem Reichtum um einen Teil ihrer Millionen erleichtert: versnobte, selbstverliebte, verwöhnte
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