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Der Schachspieler

Der Schachspieler

Titel: Der Schachspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey B. Burton
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eine Stimme hinter ihr.
    Elaine fuhr fast aus ihrer Haut. Sie drehte sich um und nahm sofort die klassische Karate-Verteidigungsstellung ein. Der groß gewachsene Mann im schwarzen Anzug starrte einen Meter vor ihr auf sie herunter. Elaine wusste, dass sie es nicht bis zur Tür schaffen würde. Sie erinnerte sich ihres schwarzen Gürtels und versuchte, einen Tritt gegen den Kopf anzubringen.
    Der groß gewachsene Mann wich blitzschnell zurück und stieß ihren Fuß mit der linken Hand zur Seite. Der Schwung brachte Elaine aus dem Gleichgewicht, doch sie fing sich und ging erneut in Kampfstellung. Sie konnte es nicht genau erkennen, doch der Mann schien zu lächeln. Elaine setzte zu einem Schlag gegen seine Kehle an und wollte sich dann rasch zur Tür flüchten, doch irgendetwas ging schief, und sie wurde zurück gegen die Wand gedrückt. Sie hatte den Schlag gar nicht gespürt, jetzt bekam sie fast keine Luft mehr.
    Der Mann schaute ihr in die Augen, als das Springmesser unterhalb ihres Solarplexus eindrang, bis zum Herz hinauf. Als er die Klinge drehte, zuckte Elaine noch einmal auf, bevor sie starb. Der Mann hielt sie fest und ließ sie langsam zu Boden sinken. Er ging neben ihr in die Knie und drückte ihr die Spitze der Schachfigur in die Stichwunde. Dann streifte er die Chirurgenhandschuhe ab und hüllte das Messer in den rechten Handschuh.
    Der groß gewachsene Mann durchkämmte das Haus der Kellervicks von oben bis unten, suchte die offensichtlichen und weniger offensichtlichen Verstecke ab. Sauber. Er suchte im PC nach irgendwelchen aktuellen Dateien oder E-Mails. Nichts von Bedeutung.
    Der Mann machte sich auf in Richtung Hintertür, blieb jedoch beim Kühlschrank stehen. Er griff sich eine Serviette und öffnete das Gerät. Er nahm den Karton von der Cheesecake Factory heraus.
    Der groß gewachsene Mann liebte Tiramisu.

14
    Sechs Monate zuvor
     
    L ucy würde jeden Moment nach Hause kommen.
    Er musste es ihr sagen. Drake Hartzell hatte es so lange wie möglich hinausgeschoben, ihr die Wahrheit zu sagen, weil er ihr den Schmerz ersparen wollte. Aber jetzt wurde die Zeit knapp. Für sie würde eine Welt zusammenbrechen – ihre gemeinsame Welt. Und doch musste Hartzell es ihr noch heute Abend sagen. Es ging nicht anders.
    Hartzell saß in seiner Penthousesuite hoch über Manhattan und blickte durch das große Panoramafenster auf den Hudson River hinaus. Er wünschte sich von ganzem Herzen – oder von dem, was davon noch übrig war –, dass er und Lucy wieder daheim in England sein könnten, in ihrem Haus in St. Leonards-on-Sea. Der ehemalige Vorsitzende der Technologiebörse NASDAQ nahm einen großen Schluck aus seinem Cognacglas und kalkulierte durch, wie lange er noch als erfolgreicher Finanzjongleur die Bälle in der Luft halten konnte, bis sein System aufflog. Es hieß, einen ehrlichen Mann kann man nicht betrügen, doch Hartzell wusste aus eigener Erfahrung, dass das Unsinn war. Er hatte ein Vermögen damit verdient, ehrliche Männer übers Ohr zu hauen … und jede Menge ehrliche Frauen noch dazu.
    Hartzell stolperte zurück ins Wohnzimmer, trat dabei eine leere Cognacflasche um und ließ sich in das Ledersofa sinken. Großer Gott , dachte er. Großer Gott .
    Er war unglaublich weit gekommen seit seiner Jugend, der harten Zeit in Walton, und Hartzell hatte nicht die geringste Sehnsucht nach dem Dreckloch in Liverpool, in dem er aufgewachsen war: in einer Familie, die sich fast ausschließlich von Kartoffeln und Haferbrei ernährte, mit einem Vater, der ihn mit dem Gürtel schlug, nachdem er wieder einmal das Arbeitslosengeld versoffen hatte oder – falls er doch einmal einen Job in der Werft hatte – nach einer anstrengenden Schicht Dampf ablassen musste. Hartzell ging eines Tages für immer fort, nach einer letzten »Aussprache« mit dem brutalen Hundesohn, bei der der fünfzehnjährige Hartzell seinem Alten mit einer Rohrzange die Zähne einschlug. Er kehrte nie mehr zurück. Als das Geld zu fließen anfing, schickte er nichts an die Familie, nicht einmal, um seine Mutter und die drei Schwestern zu unterstützen. Es kam ihm gar nicht in den Sinn. Sie gehörten zu Hartzells Vergangenheit, mit der er abgeschlossen hatte. Er diente eine Weile in der Royal Navy und ging schließlich Ende der Siebzigerjahre nach Amerika, um sich in diesem Land der unbegrenzten Möglichkeiten neu zu erfinden. Und das tat Hartzell gründlich.
    Drake Hartzell führte ein angenehmes Leben als gefragter

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