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Der Schachspieler

Der Schachspieler

Titel: Der Schachspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey B. Burton
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in einem der Hochhäuser nebenan landete.
    Sie amüsierte ihren Ehemann Steve immer wieder mit Geschichten über Albert Banning, seine alljährlichen Ansprachen, die eher an komödiantische Monologe erinnerten, oder darüber, wie Banning, während ein Mitarbeiter bei einer Sitzung seine Arbeit präsentierte, gelangweilt in der Nase popelte und die Fundstücke an die Unterseite des Konferenztisches klebte, oder wie seine Augen fast magnetisch angezogen wurden, wenn eine Mitarbeiterin die kleinste Andeutung eines Ausschnitts sehen ließ. Steve hatte gut lachen über diese Geschichten, schließlich hatte er den Armleuchter ja nicht zum Chef.
    Äußerlich füllte Banning durchaus seine Rolle aus: dunkle Schurwolleanzüge, makellose weiße Hemden, und er schaffte es sogar, seine Manschettenknöpfe zu schließen. Er lief mit einer Kalbslederaktentasche herum, in der er wahrscheinlich keine Arbeitsunterlagen hatte, sondern Gummibärchen und Schokobällchen. Nach Elaines erstem Monat als Anlagestrategin von K&P hatte Steve ihr davon abgeraten, einen Privatdetektiv feststellen zu lassen, ob Banning tatsächlich ein Managementstudium in Yale abgeschlossen hatte. Steve hatte gemeint, dass es immerhin eine gewisse Kreativität voraussetze, einen Lebenslauf zu fälschen  – eine Fähigkeit, die Banning eindeutig fehlte – und dass etwa ein Drittel der Absolventen ausgemachte Knalltüten seien, die den eigenen Hintern nicht mit der Taschenlampe finden würden.
    Dass sie es bei K&P Financials nicht mehr lange aushalten würde, war Elaine endgültig vor einigen Monaten klar geworden, als Banning von ihr und einigen Kollegen eine detaillierte Marktanalyse anhand verschiedener Fragen verlangte. Die Fragen klangen immerhin interessant, und Elaine präsentierte ihm ihre Einschätzungen zu den Themen Aktienkursschwankungen und Kurs-Gewinn-Verhältnis. Der Blödmann hielt es nicht einmal für nötig, danke zu sagen. Umso überraschter war Elaine, als sie ihre Gedanken wörtlich im Fidelity-Investor -Newsletter wiederfand, in einem kurzen Interview mit niemand anderem als Banning. Stocksauer war sie in sein Büro gestürmt und hatte ihm den Newsletter unter die Nase gehalten, den er sich, wie sie jetzt sah, bereits gerahmt und an die Wand gehängt hatte, neben einem Foto, das ihn mit einem sichtlich genervten Alan Greenspan auf irgendeiner längst vergessenen Konferenz zeigte.
    »Ich habe dem Redakteur gesagt, dass diese Gedanken von unserem brillanten Team bei K&P stammen«, hatte der ertappte Banning gemurmelt. »Ich hab ihm sogar die Namen geschickt, aber wahrscheinlich hatten sie nicht genug Platz in dem Artikel.«
    Elaine stürmte aus dem Büro des Mistkerls, weil sie seinen gerahmten Artikel sonst mit dem schweren Klebebandabroller von der Wand gefegt hätte. In der folgenden Woche hatte sich der Armleuchter geradezu überschlagen vor zuckersüßer, geheuchelter Freundlichkeit: Darf ich Ihnen die Tür aufhalten? oder Wie geht’s uns denn heute ? Doch wie um Salz in ihre Wunden zu streuen, wurde ihr Zitat, das natürlich weiter diesem Schwachkopf zugeschrieben wurde, auch noch im Wirtschaftsteil des Boston Globe abgedruckt. Es gab keine Gerechtigkeit auf der Welt.
    Nachdem sie zwei Tage versucht hatte, das mathematische Modell zu rekonstruieren, das Mr. Schmoozes Anlagestrategie zugrundelag, erkannte Elaine, dass sie irgendwo einen Fehler gemacht hatte, dass ihre Annahmen falsch sein mussten. Deshalb rief sie in Mr. Schmoozes Firma an, wurde jedoch von einer frostigen Sekretärin abgewimmelt, die sich wahrscheinlich in den Wechseljahren befand. Elaine kramte in ihrer Schreibtischschublade nach Mr. Schmoozes Businesskarte und schrieb ihm eine E-Mail, in der sie um zusätzliche Informationen bat. Sie verwarf ihr misslungenes Modell und begann noch mal von vorne, diesmal noch sorgfältiger – oder »krankhaft penibel«, wie es Steve ausdrücken würde. Der Armleuchter Banning fragte sie jedes Mal, wenn er sie auf dem Gang traf, nach der Analyse, doch als sie die Arbeit am nächsten Tag abschloss, war das Ergebnis wieder das gleiche.
    Sie warf noch einmal einen Blick auf die Zahlen in ihrer Marktanalyse und auf ihre Annahmen. Der Hauch eines Musters schien sich abzuzeichnen, doch das musste nichts heißen: Selbst wenn sie ein paarmal würfelte, hätte Elaine daraus irgendein Muster herauslesen können. Das Modell musste falsch sein. Elaine ordnete ihre Unterlagen fein säuberlich  – nicht krankhaft penibel, lieber Steve  –

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