Der Schacht
Halleluja.
In den Spalt vor den Beifahrersitz gestopft stand Emilios Haliburton, randvoll mit Geld. Auf dem Notsitz lagen ihre Tasche und die Dienstpistole, die sie Officer Stallis gestohlen hatte. Sie war irgendwann in der letzten Stunde leer geschossen worden.
Das Ding, das sie aus dem Handschuhfach zog, war ein kompakter kleiner Revolver mit kurzem Lauf und Nickelbesatz. Eine Zuhälterwaffe, typisch Bauhaus. Vielleicht hatte er sie, um Verkehrspolizisten plattzumachen.
Der Sturm tat sein Bestes, um die getönten Scheiben zu vereisen, den Wagen in Weiß zu konservieren – nackt, charakterlos, die Farbe abgenagter Knochen. Jamaica ertappte sich dabei, wie sie gedankenverloren hinausstarrte, dann blickte sie auf die Uhr im Armaturenbrett. Es war eine von denen, die ticken. So viele Geschehnisse, die alle in nur ein paar kleine Umdrehungen der Zeiger gepackt waren. Es schien unmöglich zu sein.
Sie gab sich einen Klaps auf die Wange, um wieder klar im Kopf zu werden. Die Hitze machte sie schläfrig. Sie stieg aus dem Wagen, damit der Schnee sie wieder wachrüttelte. Und dann, während ihre Augen in den stürmischen Böen tränten, warf sie beide Waffen so weit in den Sturm hinaus, wie ihre Arme nur werfen konnten.
Emilio war ein Kinderspiel gewesen.
Er ist so in seinem eigenen Ego versunken, dass das Vögeln mit ihm kaum eine körperliche Anstrengung bedeutet. Sie vögelt ihn eigentlich nicht richtig- sie fertigt ihn ab, auf der gleichen mentalen Ebene, auf der sie auch blinzelt oder atmet.
In Bezug auf Perversionen hat er ihr nichts Neues zu bieten. Kunstfertig simuliert sie den erwarteten Orgasmus. Emilio ist einer von denen, die von sich glauben, dass sie beim Sex etwas geben, weil sie ihre Bettgefährten immer dazu zwingen, zuerst zu kommen.
Als sie beide eindösen, sorgt Jamaica dafür, dass sie oben liegt. Die Downer von Bauhaus, die sie aus der Salatschüssel im Wohnzimmer hat mitgehen lassen, helfen dabei.
Fast mechanisch bindet sie ihn an Händen und Füßen fest, wobei sie an sich halten muss, um ihm nicht eine Kugel in die haarigen Eier zu schießen. Das würde sie hin und her hüpfen lassen. Oder sie könnte Sekundenkleber darübergießen und ihn an die Bettlaken leimen.
Den Revolver aus der Jacke zu bekommen, bevor Emilio sich über ihre Kleidung hermachte, war gar nicht so einfach. Sie muss bedenken, dass sie von Kameras beobachtet werden. Noch ist nicht die Zeit für theatralische Gesten. Alles muss so scheinen wie immer. Emilio an die Bettpfosten zu fesseln gehört zum normalen Ablauf. Wenn auch nur gerade so eben.
Sie braucht nicht sehr viel Zeit für das, was sie vorhat, und sie rechnet damit, dass sie schneller handelt und schneller denkt als irgendeiner von denen.
Es muss so aussehen, als müsse sie nur mal eben zwischendurch ins Badezimmer, bevor sie ihre Spielchen mit Emilio fortsetzt.
Sobald sie da ist, benutzt sie Arrid Extra Trocken, um die Täfelung zu überpudern, hinter der, wie sie weiß, die Kamera verborgen ist. Dann schlüpft sie in ihrer Kleider. Als sie ihre Stiefel an und die Kanone von Stallis in einer der wasserdichten Taschen verstaut hat, sieht sie sich zufällig in dem großen Spiegel über dem Waschbecken. Ihre Mascara ist verlaufen, ihre Augen haben Waschbärringe aus Kajal, und ihr Haar ist verschwitzt. Sie könnte als Poster für die weggelaufenen Kinder von Amerika herhalten. Bitte holt mich weg von der bösen Straße.
Eine Linie als Glücksbringer, auf der marmornen Ablage ausgelegt. Für die Ausdauer, für die Tapferkeit, wenn nicht sogar für Mut.
Ab dem Moment, an dem sie aus dem Badezimmer kommt, läuft die Uhr.
Sie rollt Emilios Seidensocken zu einem Klumpen zusammen und rammt sie ihm in den Rachen. Sein Atem stockt eine Sekunde, dann beginnt er durch seine verschnupfte Nase zu atmen. Er ist immer noch betäubt.
Sie ist zur Tür raus.
Krystal und Chari liegen auf dem abgesenkten runden Sofa in seeliger Entrücktheit, aneinandergeschmiegt wie Schwestern bei einer Schlummerparty, die Hintern vorgestreckt, die Beine ineinander verschlungen. MTV tobt weiter über die Leinwand. Einschläfernder Rock, typische Nachtmusik. Gitarrenquäler mit langen Haarn, die ihre phallischen Klampfen würgen und dabei die Gesichter verziehen, als sei das, was sie da tun, tatsächlich schwierig. Der Frontman von Guns’n’Roses tobt über die Bühne und kreischt. Er hat keinen Arsch – die Rückseite seiner ach so coolen Lederhose hängt herunter wie eine Flugtasche
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