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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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zieht den Duschvorhang zur Seite und holt seinen Freudenspender hervor. Er wird in die Badewanne pissen, damit er bei dem schlechten Licht nicht die Toilettenschüssel verfehlt. Nach unten sehen; er kann seinen gebogenen Pissestrahl nur erahnen.
    In der Badewanne ist es sogar noch dunkler, als sei sie mit schwarzem Wasser angefüllt. Boner überlegt, ob es das ist, was so sehr stinkt. Er stellt sich den größten Scheißehaufen der Welt vor, dunkelrot-schwärzlich, der in seiner Badewanne liegt und so heftig vor sich hin stinkt, dass die Fenster davon beschlagen. Und als größter Scheißhaufen der Welt liegt er da und wartet vielleicht darauf, dass man ihn fotografiert. Boner denkt wieder an seine Polaroids.
    Er kichert. Während sein Lachen noch von den Badezimmerfliesen wiederhallt, regt sich etwas schnell und heftig in der Badewanne. Einer von Boners Fingern wird zusammen mit der Spitze seines Schwanzes abgebissen und verschluckt.
    Boner fällt hintenüber. Pisse und jetzt auch Blut spritzen weiter, seine Beine haben sich in seinen heruntergelassenen Jeans verfangen. Der Amputationsschmerz setzt ein. Der Arm, mit dem er versucht, sich wieder aufzurappeln, wird von einem Maul ergriffen, das den Umfang und die ovale Form eines Footballs hat. Nadelspitze Fänge durchtrennen die Sehnen seines Handgelenks, gleiten zwischen die kleinen Knöchelchen und treffen mit dem Sirren einer silbernen Rasierklinge wieder aufeinander. Mit dem Arm voran wird Boner zu der Badewanne zurückgezerrt, sein Schlüsselring klimpert, Blut strömt die Innenseite seines Ärmels hinunter. Er kann das Blut nicht sehen, aber er kann es spüren. Sein Schwanz fühlt sich an, als sei ein Eispickel hindurchgerammt worden. Und noch mehr Blut. Er erinnert sich an die frische Kotze des Penners, wie seine Körperwärme sie zum Dampfen brachte, als sie aus ihm herauslief.
    Boner hat nicht sehr viel Zeit, um diese Empfindungen auseinanderzudividieren. In fünf Sekunden wird er tot sein.
    Seine Stiefel treten heftig genug gegen die Wand, um die Leute im Erdgeschoss zu wecken. Noch bevor er seinen ersten Schrei ausstoßen kann, wird sein Gesicht von etwas Kaltem, Samtweichem und Blasigem verschluckt, in zentimeterdicken glitschigen Schleim eingefasst. Sein letzter Gedanke gilt dem Gelee, das um Frühstücksfleisch herum ist. Das riecht auch nicht so besonders. Boner wird eingesaugt.
    Danach ist alles kinderleicht.

2.
    Die Fensterscheiben des Greyhound-Busses bestanden aus einer Art stabilem Plastik. Kratzspuren bildeten ein dreidimensionales Muster, in dem sich die vorbeiziehenden Lichter der Städte brachen und Regenbogeneffekte erzeugten. Zurzeit waren die Straßenlaternen anonymer Städte spärlich gesät. Der Mond schien in dieser Nacht nicht, und hinter den Fenstern war es tiefdunkel.
    ›Nein.‹
    Jonathan streifte sich seine Ohrstecker herunter. Er mochte es nicht, Musik zu unterbrechen, wenn sie noch nicht zu Ende war, aber er war in eine Art Trance verfallen, und jetzt pochten seine Ohrmuscheln. Das Bedauern, das er empfand, als er auf die STOP-Taste drückte, war banal, aber ehrlich. Tangerine Dream hörten mitten in einem Akkord auf zu existieren. Jonathan hatte die Batterien des Walkmans schon mehrfach hin und her getauscht. Lange Fahrt, kein Reservesatz, schlechte Planung. Wenn man schon mit den Batterien haushalten muss, dann sollte man wenigstens wach bleiben, um die Musik zu genießen.
    Die Fahrtgeräusche des Busses dröhnten ihm in die Ohren, ungedämpft und laut. Sie fuhren öde neunzig Kilometer pro Stunde auf der LKW-Spur. Die Leselampe über Jonathans Kopf war aus, und kein anderer der Mitreisenden wollte so spät noch etwas anderes. Der Fahrer war ein Roboter, einer dieser professionellen Mittelstreifencowboys, der nicht eine Silbe von sich gab, bis auf seine heruntergeleierte Begrüßungsansprache darüber, was man alles in einem Greyhound-Bus nicht tun darf.
    Es gab jetzt nichts anderes mehr: nur die Nacht und die Dunkelheit und die Zeit und der Lärm des Busses und Jonathan, ganz allein.
    ›Nein.‹
    Er erinnerte sich an das letzte Mal, als er mit Amanda geschlafen hatte: ein Abendessen mit Wein. Sie waren beide nach einem Arbeitstag immer sofort todmüde. Sie hatten sich eine Stunde lang aneinandergekuschelt, dann waren sie langsam in den Schlaf abgedriftet. Er glaubte sich vage zu erinnern, dass er sie ausgezogen hatte. Irgendwann nach Mitternacht war er erwacht und hatte begonnen, sie zu streicheln. Der Ablauf war schon fast

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