Der Schädelring: Thriller (German Edition)
quietschten wie der Deckel eines hölzernen Sargs. Die feinen Härchen auf ihrem Nacken zuckten wie elektrisch geladene Drähte. Sie versuchte einzuatmen, konnte sich jedoch nicht auf einen entspannenden Atemzug konzentrieren.
Julia schwitzte in der kühlen Nacht, als sie durch den engen Spalt spähte.
Nichts als Dunkelheit im Innern. Tiefe und endlose Dunkelheit, die Art Dunkelheit, die aus dem Nichts sprang und sich mit den Krallen auf sie stürzte, mit scharfen, dunklen Krallen, Krallen der Art –
Hör auf, Julia.
Ihre Hände zitterten.
Ein Telefon klingelte in einer der Nachbarwohnungen. Es summte leise sechs Mal und hörte dann auf. In der Wohnsiedlung hinter der Wand des Waldes ließ jemand den Motor eines Autos aufheulen. Hundegebell widerhallte von den schwarzen Hügeln. Klänge des normalen Lebens.
Sie hielt den Pfefferspray umklammert und schob die Tür mit ihrer Schulter auf. Halbwegs erwartete sie, das Glitzern einer gebogenen Klinge zu sehen. Mit der linken Hand tastete sie der Wand entlang und rieb mit den Fingern über den Lichtschalter. Das Licht leuchtete auf wie explodierende Sterne.
Das Zimmer war leer.
Julia schritt dem Flur entlang, ihre Tasche unter den Arm geklemmt. Mit der einen Hand hielt sie den Pfefferspray und mit der anderen machte sie eine Faust. Niemand in der Küche. Sie stieß die Badezimmertür auf.
Etwas bewegte sich entlang der einen Wand. Julias Zeigefinger versteifte sich auf der Düse des Pfeffersprays. Ein Grunzen erstarb in ihrem Mund, ehe es sich zu einem Schrei entwickelte.
Nur ihr Abbild im Spiegel oberhalb des Waschbeckens.
Julia schaltete das Licht ein und schielte nach dem Duschvorhang. Kein Unhold würde so fantasielos sein, nicht?
Sie streckte den Arm aus, berührte den Plastikvorhang, riss ihn zurück und hielt den Pfefferspray zum Angriff bereit. Nichts, nur die Duschkabine aus Glasfaser.
Mit schlagendem Herzen drehte sich Julia um und trat in den Flur zurück. Es blieb nur noch ein Zimmer übrig.
Natürlich. Ihr Schlafzimmer.
Die größte Verletzung, die des inneren Heiligtums.
Die Tür öffnete sich mit einem Flüstern. Ein Windhauch wehte durch das Zimmer. Das Fenster stand offen.
Geh zurück. Es ist in Ordnung. Niemand kann dir Vorwürfe machen, dass du Angst hast. Dies ist nicht nur deine Krankheit. ICH bin es.
Natürlich könnte sie flüchten. Sie könnte aufgeben.
Genau wie immer.
Sie biss die Zähne zusammen und trat ins Zimmer. Das erste, das sie sah, war die Zahlen der Uhr, die wie Höllenfeuer aus der Dunkelheit leuchteten.
4:06 Uhr.
Wenn sie eine Pistole anstelle des Pfeffersprays in der Hand gehalten hätte, dann hätte sie auf diesen digitalen Dämonen gezielt und die Patrone leer geschossen, um die obszöne eingefrorene Zeit zu exorzieren.
Sie konnte sich nicht länger selbst täuschen, sich einreden, dass niemand hier gewesen war, dass sie nur vergessen hatte, die Tür abzuschließen, dass sie das Fenster offen gelassen hatte, dass sie ein zerstreutes dummes Ding war.
Nein, irgendein fieser Kerl war hier eingedrungen, hatte den Wecker aus dem Papierkorb geholt und umprogrammiert und als Nachricht an Julia hinterlassen. Die Nachricht, dass er jederzeit hereinkommen könnte, egal, wie viele Schlösser und Schlüssel sie hatte.
Weshalb würde ein Unhold sie darauf aufmerksam machen? Wenn er sie überfallen wollte, könnte er im Dunkeln auf den Moment warten und sie wie mit den langen Fingern aus der Vergangenheit packen. Wie Mitchell es getan hatte.
Die Erinnerung an den Angriff ihres Verlobten durchfuhr sie und das Zimmer erschien ihr verschwommen. Sie verlor beinahe das Gleichgewicht. Dann schüttelte sie den Kopf. Falls der Kerl noch hier war, würde sie es ihm nicht leicht machen.
Julia trat vorsichtig ins Zimmer und schob mit dem Ellbogen den Lichtschalter nach oben. Sie blinzelte gegen das helle Licht.
Ihr Zimmer war unverändert, mit Ausnahme des Weckers. Das Bett war etwas unordentlich gemacht. Die Plüschschildkröte und einige CDs lagen auf dem Bücherregal und das Taschenbuch von Jefferson Spence lag offen auf dem Nachttisch. Das Fenstergitter war weg und die Gardinen flatterten in der Brise wie unruhige Geister.
Julia durchquerte das Zimmer, schloss das Fenster und schob den Riegel vor. Walter hatte Recht; die Fenster waren solide gebaut. Sie sah keine Narben in den Fensterrahmen, die auf ein gewaltsames Eindringen hindeuteten. Entweder hatte sie ein Schloss übersehen oder der Kerl hatte Zugang zu einer Kopie
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