Der Schädelring: Thriller (German Edition)
ihres Hausschlüssels.
Ohne darauf zu schauen, riss Julia das Kabel aus der Wand und klemmte die Uhr unter den Arm. Sie wunderte sich, ob die Ziffern auch ohne Strom noch leuchteten.
4:06 Uhr. Warum 4:06?
Ein Gedanke flatterte kurz am Rande ihres Gedächtnisses und verschwand dann wieder wie eine verirrte Fledermaus, die in ihre Höhle zurückflog. Sie hatte so bewusst versucht, sich nicht an die Vergangenheit zu erinnern, dass sie diesen Ort nur mit Mühe besuchen konnte. Für diese Reise brauchte sie einen Reiseführer. Sie würde nur unter Aufsicht von Dr. Forrest dorthin gehen.
Sie ging durchs Haus, schloss die Haustüre ab und überprüfte die restlichen Fenster. Sie würde den Koffer beim morgendlichen Sonnenschein auspacken. Für den Moment fühlte sie sich sicher genug, so sicher, wie sie es in ihrem eigenen Kopf sein konnte. Es sei denn, jemand hätte den Schlüssel zu ihrem Kopf wie auch zu ihrem Haus.
Julia nahm eine Plastikeinkaufstüte vom großen Stapel unter dem Abwaschbecken hervor. Sie ließ die fehlerhafte Uhr hinein gleiten und schnürte die Tüte fest zu. Zur Sicherheit wickelte sie einen zweiten Sack darum herum und vergrub sie im Abfallkübel unter Kaffeesatz und einer Speiseeispackung. Vielleicht würde sie die Uhr morgen mit einem großen Stein zertrümmern.
Zeit totschlagen. Das Bild war beinahe lustig, aber der andauernde Adrenalinschub prickelte noch immer auf ihrer Haut. Sie hatte das Gefühl, beobachtet zu werden.
War noch jemand im Haus?
Nein, sie hatte in allen Zimmern nachgesehen. Der Zugang zum Estrich war im Badezimmer. In Memphis hatte sie einen Fall behandelt, in dem ein Widerling durch den Wartungsschacht seiner Wohnung kroch, über die Dachsparren zur nächsten Wohnung kletterte und kleine Gucklöcher in die Schlafzimmerdecke bohrte. Die Frau kam eines Tages nach Hause und fand Pflasterstaub auf dem Bettüberwurf. Sie sah die Löcher in der Decke und rief die Polizei.
Der Unhold wurde gefasst, doch die Frau hatte keine Ahnung, wie oft er sie durch die kleinen Gucklöcher ausspioniert hatte. Diese Art Verletzung konnten auch Hunderte von heißen Duschen nicht wegwaschen. Ob sich das Opfer wohl je wieder entkleiden konnte, ohne ein kleines paranoides Frösteln zu verspüren? Wie viel Therapie war nötig gewesen, bis die Frau nicht mehr die Decke jedes Raums, den sie betrat, überprüfte?
Paranoia war zum Teil ein Überlebensinstinkt. An einem gewissen Punkt musste man sich davon lösen.
Julia dachte daran, Dr. Forrest anzurufen. Die Armbanduhr zeigte 20:00 Uhr, also noch früh genug. Sie vermutete jedoch, dass Dr. Forrest einen Liebhaber hatte, einen Mann, dessen Stimme sie bei mehreren Telefongesprächen im Hintergrund gehört hatte. Julia hasste es, so hilfsbedürftig und abhängig zu sein und die Zeit und Aufmerksamkeit ihrer Therapeutin so sehr in Anspruch zu nehmen. Vor allem wollte sie nicht, dass Dr. Forrest ihrer überdrüssig wurde.
Wenn sie die Nacht überstehen konnte, dann wäre sie in Ordnung. Wenn sie ihr Leben überstehen konnte, dann wäre sie in Ordnung.
Julia ging durch das Haus zu ihrem Schlafzimmer. Sie hielt sich davon ab, die Fenster noch einmal zu prüfen. Ein eigenartiges Summen tönte in ihren Ohren, der beinahe stille Alarm, dass etwas nicht in Ordnung wäre. Das Regal, auf dem ihr Verlobungsring versteckt war, sah unberührt aus. Das Plüschtier zeigte sein normales freundliches Schildkrötengrinsen und die Bücher standen in alphabetischer Ordnung. Die oberste Schublade ihrer Kommode stand jedoch leicht offen.
Sie war kein Putz- und Ordnungsteufel, aber sie hatte den Drang, Dinge zu schließen: Türen, Fenster, Deckel, Schränke.
Sie zog an der Schublade. Unterwäsche und Büstenhalter lagen zerzaust da, einige schwarze und rote, die meisten jedoch in den langweiligen weißen und beigen Farben. Sie wühlte darin herum. Der Body fehlte.
Mitchell hatte ihn für sie gekauft in der Hoffnung, dass sie ihn vorführen würde. Und sie hätte es getan, wenn sich Mitchell nicht zu einem brutalen Kerl entwickelt hätte. Wie hatte sie sich doch nach dem perfekten Moment gesehnt, einer Urlaubsnacht vielleicht beim Mondschein oder am Jahrestag ihres ersten Zusammenseins. Mitchell hatte den Body jedoch nie mehr erwähnt und Julia wusste nicht, wie er auf eine verführerische Überraschung reagieren würde. Wie es sich herausstellte, war er derjenige mit den Überraschungen.
Sie war froh, diese Erinnerung an ihre mangelhafte Beziehung los zu sein,
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