Der Schädelring: Thriller (German Edition)
und ich Ihnen nicht helfen konnte?“
Julia nagte am Daumen, eine neue Angewohnheit. „Nein, das ist es nicht.“
„Geben Sie mir die Schuld?“
Julia widerstand dem Drang, zu Dr. Forrest zu gehen und sie auf Knien um Vergebung zu bitten. „Es ist nicht Ihre Schuld, überhaupt nicht. Wenn ich Sie nicht hätte –“
Dr. Forrest drehte sich um und ein Lächeln verblasste auf ihren Lippen. Die Therapeutin gab sich alle Mühe, freundlich zu sein, obschon sich Julia wie ein verwöhntes Kind benahm. Julia war nicht fair und sie wusste es. Sie konnte sich jedoch nicht helfen. Manchmal glaubte sie, dass Dr. Forrest mehr emotionellen Ballast trug wie Julia es selbst tat.
Wenn ich nur so stark wäre wie Sie .
„Sie sind die Einzige, die verhindert, dass ich den Verstand verliere“, sagte Julia.
Dr. Forrest ging zum Stuhl zurück und zog ihn zu Julia hin. Sie ergriff die Hand ihrer Patientin. „Sprechen wir nicht vom Verstand verlieren. Sie haben den Verstand nicht verloren. Die Narben sind nicht das Ergebnis Ihrer Fantasie. Mitchells Angriff war kein Traum. Sie haben den Mann nicht erfunden, der sie durch das Fenster beobachtete. Die Notiz ist Tatsache, sie existiert, sie ist Wirklichkeit.“
Julia schaute auf ihre Tasche, in der das Papier sorgfältig gefaltet lag. Sie hätte es der Polizei bringen sollen. Aber der Gedanke daran, Snead zu treffen, oder die Möglichkeit, dass ihm der Fall zugeordnet wurde, ängstigte sie mehr als tausend unheimliche Notizen. Dieser mythische Snead wurde immer mächtiger in ihrem Gehirn. Bald würde er vier Meter groß sein, Hörner haben und Feuer speien.
Die hölzerne Schachtel mit dem Ring befand sich ebenfalls in der Tasche neben der Notiz. Sie trug sie nicht gerne mit sich herum; die Nähe beunruhigte sie. Doch wollte sie die Schachtel nicht in dem Haus lassen, in das so leicht eingebrochen werden konnte. Zudem gab ihr die Nähe eine perverse Beruhigung, einen Anker zu einer unwirklichen Vergangenheit.
„Es ist alles wahr, Julia“, fuhr Dr. Forrest fort. „Und Sie wissen, dass es wahr ist, nicht wahr?“
Julia nickte. „Die bösen Menschen. Das Ritual. Die Misshandlung.“
„Die Erinnerung liegt in Ihrem Körper, nicht wahr?“
Ihre Narben pulsierten. Zwischen den Beinen flackerte ein scharfer Schmerz auf.
„Sie haben es Ihnen angetan, nicht?“
Julia zog sich in den Stuhl zurück und schüttelte den Kopf.
„Leugnen Sie es nicht, Julia. Wir sind so weit gekommen. Sie sind bereit, den letzten Schritt zu tun.“
„Nein“, stöhnte Julia.
„Wir können diese neuen Verletzungen heilen. Das Wichtigste ist jedoch, die alten Schmerzen zuerst zu heilen. Wir müssen sie zum Vorschein bringen. Dies ist das Einzige, das Sie zurückhält, das Einzige, das Sie davon abhält, die neue Julia Stone zu werden.“
Stille. Ein Lastwagen fuhr draußen vorbei.
„Sie wissen, wer die Notiz hinterlassen hat, nicht wahr?“ sagte Dr. Forrest mit leiser Stimme.
Die Panik näherte sich ihr auf schnellen schwarzen Beinen von den Ecken des Zimmers her. Weshalb tat Dr. Forrest dies?
„Sie wissen es, Julia. Sagen Sie es mir.“
Sie wusste es nicht. Sie rutschte auf dem Stuhl umher, konnte sich jedoch nirgendwohin retten. Überall Sackgassen, die Alptraumränder der Klippen, die kalten Wände der tiefen Keller.
„Derselbe, der das Messer gehalten hatte.“ Dr. Forrest rieb Julias Finger.
„Sie – Sie sagten, das läge alles in der Vergangenheit.“
Dr. Forrest neigte sich zu ihr hin; ihre Stimme war sanft, so verführerisch wie die Schlange Edens. „Aber die Vergangenheit regt die Gegenwart an, Julia. Wir sind die, zu denen sie uns gemacht haben.“
Julia verstand sie nicht und die Gedanken rasten durch ihren Kopf und hinderten sie am Konzentrieren. Die Panik wirbelte herbei und ihre schwarzen Klauen hinterließen ein Prickeln auf der Haut. Wieso half ihr Dr. Forrest nicht?
„Es kommt.“ Julia keuchte. „Können wir eine Entspannungsübung machen?“
„Bald, Julia, aber zuerst müssen wir uns mit dem befassen. Wir müssen die gesamten Erinnerungen ausgraben. Ein Teil davon ist noch immer begraben und wir können erst fortfahren, wenn wir die ganze Vergangenheit aufgedeckt haben.“
Dr. Forrests ergriff Julias Hand und drückte sie beruhigend. Julia spürte den Atem der Therapeutin auf ihrer Wange. „Halten Sie sich nicht zurück, Julia. Oder sollte ich ‚Juuulia‘ sagen?“
Julia verkrampfte sich; ihr Rückgrat fühlte sich so
Weitere Kostenlose Bücher