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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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…«
    Der Bereich undurchdringlicher Schwärze hinter dem Schreibtisch wuchs ruckartig in die Höhe, drei Mannslängen der Decke entgegen, bis er fast an die schattenhaft erkennbaren Tropfsteine heranreichte. »Ich entnehme Ihren Worten, dass Sie im Rahmen dienstlicher Ermittlungen unterwegs waren?«
    Bevor Jorge etwas Unüberlegtes erwidern konnte, trat Hippolit vor. »Ich hatte Agent Jorge den Auftrag erteilt, ein Privatunternehmen in der Nähe des Hafens zu durchleuchten, das im Verdacht stand, seine … ahm, Dienstleistungen durch die unlizenzierte Anwendung thaumaturgischer Praktiken aufzuwerten. Zu jenem Zeitpunkt, da Mervynia den Wortwurf in seine Unterkunft im Fassviertel schickte, war er höchstwahrscheinlich bereits unterwegs.«
    Jorge starrte ihn einen Moment lang verwirrt an, dann nickte er rasch. »Genau, nur so. Schon unterwegs ich war!«
    »Und der zweite Wortwurf?«, erkundigte sich Geheimrat Karliban kalt. »Sagten Sie nicht vorhin, Sie hätten ihrem Assistenten wenig später einen Ruf direkt an seinen Einsatzort gesandt, Meister H.?«
    »Quintessenziell.« Hippolit senkte demütig den Blick. »Ich kann jedoch nicht ausschließen, dass ich als Folge der gebotenen Eile den Zielpunkt falsch definierte. Möglicherweise kam der Wortwurf in einem Nebengebäude an, unhörbar für Agent Jorge.«
    »Ja, ja! So muss es gewesen sein«, bestätigte Jorge, dem sein schlechtes Gewissen jetzt auf Meilen anzusehen war. Unauffällig versuchte er, die süßlichen Duftschwaden fortzuwedeln, die ihn nach wie vor umgaben.
    Der Oberste Lenker des IAIT schwieg. Für endlose Augenblicke war keinerlei Regung jenseits des Tisches zu erkennen, nichts zu hören außer dem beständigen Plätschern aus den finsteren Tiefen des Gewölbes.
    Es war beileibe nicht das erste Mal, dass Hippolit seinen Assistenten decken musste, um ihn vor einer drohenden Suspendierung zu bewahren. Auch war es nicht die erste Gelegenheit, bei der er zu diesem Zweck sich selbst grober Fehler oder Unaufmerksamkeiten bezichtigte, die er gar nicht begangen hatte. Und nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob der Geheimrat dies nicht irgendwann durchschauen würde. Schließlich musste Karliban klar sein, dass sein bester Mann in über siebzig Dienstjahren noch nie einen Wortwurf fehlerhaft adressiert hatte.
    Es verärgerte und beunruhigte Hippolit gleichermaßen, dass er seinen Vorgesetzten trotz der langen Zeit ihrer Bekanntschaft noch immer nicht einzuschätzen vermochte. Ein Umstand, der in seinen Augen damit zusammenhing, dass Karliban die Wesenszüge nicht einer einzigen, sondern unzähliger Personen in sich vereinte. Es gab lediglich eine Regel, deren Gültigkeit Hippolit früh erkannt und die er seither nie missachtet hatte: Man musste sich hüten, den Obersten Lenker zu unterschätzen.
    Einen anschaulichen Beleg dafür hatte Karliban nur eine Stunde zuvor geliefert, als er einen kombinierten Bild-Wortwurf an Jorge gesandt hatte, obwohl dessen aktueller Aufenthaltsort mit herkömmlichen thaumaturgischen Mitteln gar nicht zu bestimmen gewesen wäre. Im Gegensatz zu Hippolit trug Jorge kein Phantotas-Amulett bei sich, dessen thaumaturgische Schwingungsfrequenz dem Sekretariat bekannt war und eine exakte Ortung nahezu in ganz Sdoom ermöglicht hätte. Wie Karliban diesen Kunstgriff bewerkstelligt hatte, war selbst Hippolit, der seine Kenntnisse in thaumaturgischen Belangen eigentlich für umfassend hielt, nicht recht klar. Dennoch wäre er nie auf den Gedanken gekommen, den Formwechsler danach zu fragen.
    »Also gut.« Erneut die blubbernde Stimme, diesmal wieder aus einer zivileren Höhe dicht über der Schreibtischplatte. »Sie sind jetzt hier – beide –, das allein zählt. Ihre selbstständigen Ermittlungen im Hafenmilieu werden Sie indes für eine Weile ruhen lassen müssen, Agent Jorge. Sie haben seit heute früh einen neuen Auftrag.«
    Etwas Langes, Schwarzes wischte über die Schreibtischplatte, zu gelenkig für einen Arm, zu schnell für eine Schlange. Hippolit, der bereits mit dem Geheim rat über den neuen Fall gesprochen hatte, interpretierte die Geste als Aufforderung zu einer raschen Zusammenfassung. Mit neuem, aus Erleichterung über den Stimmungswandel des Geheimrats geborenem Elan wandte er sich an seinen Assistenten.
    »Es geht um einen Mord. In Barlyn ist ein hochrangiger Politiker auf mysteriöse Weise umgebracht worden. Auf so mysteriöse Weise, dass Lordprotektor Hindrych, das Regierungsoberhaupt der dortigen Zwergenpopulation,

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