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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Auf diese Weise gelangte er schließlich bis zu den ersten Häusern des Boulevard du Montparnasse, die jedoch Büros neueren Datums beherbergten und von geschäftigem Leben erfüllt waren.
    Am nächsten Tag war er wieder da, schlenderte an den Häuserfronten entlang, kreuzte die Fahrbahn, um sich unter den Bäumen auf eine der Straßenbänke zu setzen und nochmals die oberen Stockwerke zu inspizieren. Fünf oder sechsgeschossige Steinfassaden, gekrönt von einem umgitterten First, dann die steile, von Mansardenfenstern unterbrochene Schräge des mit schwarzen Ziegeln gedeckten Dachstuhls, der ehedem die Unterkünfte der Dienstboten beherbergte und jetzt ärmeren Pensionären als Wohnung diente. Die Dächer, und möglicherweise auch die Mansarden, würden an dem betreffenden Tag vermutlich überwacht werden. Es mochte sogar Beobachtungsposten auf den Dächern geben, die, den Feldstecher auf die gegenüberliegenden Fenster und Dächer gerichtet, zwischen den Kamingruppen umherkrochen. Aber die Höhe des unmittelbar unter dem Dachboden gelegenen obersten Stockwerks war ausreichend, vorausgesetzt, man konnte weit genug vom Fenster weg im Schatten sitzen, um nicht vom gegenüberliegenden Haus aus gesehen zu werden. In der schwülen Hitze jenes Sommers würde das offene Fenster nicht auffallen. Aber je weiter man den Stuhl ins Zimmer hinein rückte, desto enger wurde der Schußwinkel zum Vorhof des Bahnhofs hinunter. Aus diesem Grund schied das jeweils dritte Haus zu beiden Seiten der rue de Rennes aus. Damit blieben dem Schakal vier Häuser, unter denen er wählen konnte. Da es zu der Tageszeit, zu welcher er seiner Schätzung nach zum Schuß käme, Nachmittag sein und die Sonne bereits im Westen, aber immer noch hoch genug am Himmel stehen würde, um über das Dach des Bahnhofsgebäudes hinweg in die Fenster der auf der Ostseite der Straße gelegenen Häuser zu scheinen, entschied er sich schließlich für eines auf der Westseite. Um ganz sicher zu gehen, wartete er an jenem 29. Juli bis 16 Uhr und stellte fest, daß die Sonne die obersten Fenster der Häuser auf der Westseite nur mit einem schrägen Strahl erreichte, die Häuser auf der Ostseite dagegen noch immer voll beschien.
    Am nächsten Tag bemerkte er die Concierge. Es war der dritte Tag, an dem er entweder auf einer Cafeterrasse oder auf einer Straßenbank saß, und er hatte sich eine Bank ausgesucht, die nur wenige Meter von den Eingängen der beiden Mietshäuser entfernt war, für die er sich noch immer interessierte. Ein paar Schritte hinter ihm und nur durch die Breite des Bürgersteigs, über den endlose Schwärme von Passanten dahineilten, von ihm getrennt, saß die Concierge in ihrem Hauseingang und strickte. Einmal kam ein Kellner aus einem benachbarten Café zu einem Plausch herübergeschlendert. Er nannte die Concierge Madame Berthe. Es war eine reizende Idylle, der Tag war warm, die Sonne strahlte und reichte, solange sie noch im Südosten und Süden über dem Bahnhofsdach auf der anderen Seite des Platzes hoch am Himmel stand, zwei bis drei Meter weit in den dunklen Hauseingang hinein. Die Concierge war eine gemütvolle großmütterliche Person, und aus der Art, wie sie »Bonjour monsieur« flötete, wenn gelegentlich jemand das Mietshaus verließ oder betrat, wie auch aus dem fröhlichen »Bonjour, Madame Berthe«, das sie jedesmal zur Antwort erhielt, schloß der auf der fünf Meter entfernten Straßenbank sitzende Beobachter, daß sie beliebt sein mußte. Eine mitleidige Natur, die für die weniger gut Weggekommenen dieser Erde ein Herz hatte: Kurz nach 14 Uhr erschien eine Katze, und innerhalb weniger Minuten kam Madame Berthe, die vorübergehend ihre Portiersloge im hinteren Teil des Parterres aufgesucht hatte, mit einer Untertasse voll Milch für das Tier, das sie »ma petite Minette« nannte, zurück.
    Kurz vor 16 Uhr packte sie ihr Strickzeug zusammen, steckte es in eine der geräumigen Taschen ihrer Schürze und schlurfte auf ihren Pantoffeln die Straße hinunter zur Bäckerei. Der Schakal stand von der Bank auf und betrat das Mietshaus. Er zog es vor, statt des Aufzugs die Treppen zu benutzen, und rannte lautlos nach oben.
    Die Treppen umliefen den Liftschacht und erreichten bei jeder zum hinteren Teil des Gebäudes führenden Wendung einen kleinen Absatz. Auf jedem zweiten Stockwerk gelangte man von diesem Absatz aus durch eine Tür in der hinteren Mauer des Hauses zu einer eisernen Feuertreppe. Vor dem sechsten - dem obersten - Stock,

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