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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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auf der Avenue gelegen und auch den Gartenpfad bedeckt. Andere Leute waren blaß und verfroren, und François sah braun gebrannt und fit aus. Er fragte, ob er Mademoiselle Jacqueline sprechen könne. Sie sagte »C'est mol même« und was er denn wünsche. Er sagte, daß er den Zug führe, dem der gefallene Soldat Jean-Claude Dumas zugeteilt gewesen sei, und daß er einen Brief zu überbringen habe. Sie bat ihn hereinzukommen.
    Der Brief war einige Wochen, bevor Jean-Claude fiel, geschrieben worden, und er hatte ihn auf der Patrouille im Djebel, auf der sie nach einer Bande von Fellachen Ausschau hielten, die eine ganze Siedlerfamilie niedergemacht hatte, in der inneren Brusttasche seiner Uniformjacke verwahrt. Sie hatten die Guerillas nicht aufgespürt, waren aber auf ein Bataillon der ALN, der kampferprobten regulären Truppe der algerischen Nationalbewegung FLN, gestoßen. In der anbrechenden Dämmerung hatte es ein erbittertes Gefecht gegeben, bei dem Jean-Claude einen Lungendurchschuß erhielt. Bevor er starb, übergab er den Brief seinem Zugführer.
    Jacqueline las ihn und weinte ein wenig. Der Brief erwähnte die letzten Wochen nicht, sondern beschrieb lediglich das Kasernenleben in Constantine, die Nahkampfübungen und die strenge Disziplin. Den Rest erfuhr sie von François: Er berichtete ihr von dem fünf Kilometer langen Rückmarsch durch das Unterholz, während die ALN sie überholte und einkreiste ; von den verzweifelten Funkrufen nach Luftunterstützung und dem Eingreifen der Kampfbomber mit ihren heulenden Triebwerken und donnernden Raketen. Und davon, wie ihr Bruder, der sich freiwillig zum Dienst in einem der härtesten Regimenter gemeldet hatte, um zu beweisen,daß er ein Mann war, auch wie ein solcher zu sterben wußte, während er im Schatten eines Felsbrockens auf die Knie eines Korporals Blut hustete.
    François war sehr zartfühlend ihr gegenüber gewesen. Als Mann war er hart wie die Erde der kolonialen Provinz, die ihn in vier Kriegsjahren zum Berufssoldaten gestählt hatte. Aber gegenüber der Schwester eines seiner Männer war er zartfühlend und sanft. Das nahm sie für ihn ein, und so stimmte sie seinem Vorschlag, in Paris zu Abend zu essen, gern zu. Abgesehen davon befürchtete sie, ihre Eltern könnten zurückkehren und sie überraschen. Sie wollte nicht, daß sie erführen, wie Jean-Claude gestorben war, denn beide hatten es verstanden, sich in den seither vergangenen zwei Monaten dem Schmerz zu verschließen und ihr gewohntes Leben weiterzuleben. Beim Essen beschwor sie den Leutnant, ihren Eltern nichts von alldem zu sagen, und er versprach es ihr.
    Sie selbst aber konnte nicht genug erfahren über den Krieg in Algerien; sie mußte wissen, was in Wahrheit geschah, worum es in Wahrheit ging, was die Politiker in Wahrheit bezweckten. General de Gaulle hatte im vergangenen Januar als Premierminister die Präsidentschaft erlangt und war von einer Woge vaterländischer Begeisterung als der Mann, der den Krieg beenden und Algerien dennoch Frankreich erhalten würde, in den Elysée-Palast getragen worden. Es geschah aus François' Mund, daß sie erstmals die Bezeichnung »Verräter Frankreichs« für den Mann hörte, den ihr Vater bewunderte.
    Solange François' Urlaub währte, trafen sie sich allabendlich nach ihrer Arbeit im Schönheitssalon, in dem sie seit Januar 1960, als sie ihre Kosmetikprüfung abgelegt hatte, beschäftigt war. Er berichtete ihr von dem Verrat an der französischen Armee, von den geheimen Verhandlungen, welche die Pariser Regierung mit Ahmed Ben Bella, dem Führer der FLN, aufgenommen hatte, und von der bevorstehenden Übergabe Algeriens an die melons. In der zweiten Januarhälfte war er in seinen Krieg zurückgekehrt, und in Marseille hatte sie noch einmal eine kurze Zeit mit ihm allein verbringen können, als es ihm gelang, eine Woche Urlaub zu erhalten. Seither hatte sie auf ihn gewartet, und in ihren geheimsten Gedanken war er ihr zu einem Symbol alles dessen geworden, was an junger französischer Männlichkeit gut und sauber und aufrichtig war. Sein Photo, das bei Tag und am Abend neben ihrem Bett auf dem Tischchen stand, hielt sie im Schlaf unter dem Nachthemd an ihren Bauch gepreßt. Sie wartete den Herbst und Winter 1960 hindurch auf ihn.
    Auf seinem letzten Urlaub im Frühjahr 1961 war er wiederum nach Paris gekommen, und als sie die Boulevards entlangschlenderten, er in Uniform, sie in ihrem schönsten Kleid, fand sie, daß er der stärkste, bestgewachsene

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