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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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rechten Arm mit der Handfläche nach unten über die Brust gelegt und so die Vorfahrt des herannahenden Konvois signalisierend, mit straff ausgestrecktem linkem Arm zur Avenue du Maine.
    Nach rechts geneigt, kurvten die beiden Motorradfahrer, gefolgt von den Limousinen, in die Avenue du Maine. Aufrecht hinter dem Fahrer im Fond des ersten Wagens sitzend und starr geradeaus blickend, wurde sekundenlang eine hochgewachsene, mit einem dunkelgrauen Anzug bekleidete Gestalt sichtbar. Der Schakal erhaschte einen flüchtigen Blick auf das hocherhobene Haupt und die unverkennbare Nase, bevor der Konvoi vorbeigebraust war. Das nächstemal, wenn ich dein Gesicht sehe, schwor er der blitzartig entschwundenen Erscheinung, werde ich es scharf eingestellt im Fadenkreuz meines Zielfernrohrs haben.
    Dann fand er ein Taxi und ließ sich in sein Hotel zurückfahren.
    Ein Stück weiter den Boulevard hinauf, nahe der Métro-Station Duroc, der sie soeben entstiegen war, hatte eine andere Gestalt die Vorbeifahrt des Präsidenten mit mehr als dem üblichen Interesse beobachtet. Sie war im Begriff gewesen, die Straße zu überschreiten, als ein Polizist sie zurückwinkte. Sekunden später schoß der aus dem Boulevard des Invalides kommende Automobilkonvoi über die kopfsteingepflasterte Place Léon Paul Fargue in den Boulevard du Montparnasse. Auch sie hatte das unverkennbare Profil im Fond des ersten Citroën gesehen, und ihre Augen hatten in leidenschaftlichem Haß gefunkelt. Noch als die Wagen lange schon:] vorübergefahren waren, hatte sie ihnen nachgestarrt, bis sie sah, daß der Polizist sie mißtrauisch von oben bis unten zu mustern be- ; gann. Rasch hatte sie ihren Weg zur anderen Straßenseite fortgesetzt.
    Jacqueline Dumas war damals sechsundzwanzig Jahre alt und von beträchtlicher Schönheit, die sie vorzüglich zur Geltung zu bringen verstand, da sie als Kosmetikerin in einem teuren Salon hinter den Champs-Elysées arbeitete. Am späten Nachmittag des 30. Juli beeilte sie sich, rechtzeitig in ihre bei der Place de Breteuil gelegene kleine Wohnung zurückzukehren, um sich für ihr Rendezvous am Abend zurechtzumachen. Sie wußte, daß sie sich in wenigen Stunden nackt in den Armen ihres Liebhabers finden würde, den sie haßte, und sie wollte so schön aussehen, wie es ihr nur möglich war.
    Noch vor wenigen Jahren war das nächste Rendezvous alles gewesen, was in ihrem Leben zählte. Sie stammte aus gutem Haus, und ihre Familie bildete eine engverbundene, von starkem Zusammengehörigkeitsgefühl erfüllte kleine Gruppe. Ihr Vater war ein verdienter Angestellter eines Bankhauses, ihre Mutter die typische Hausfrau und maman der französischen Mittelklasse, sie selbst im Begriff, ihren Kosmetikkurs zu beenden, und ihr Bruder Jean-Claude damals dabei, seinen Militärdienst abzuleisten. Die Familie wohnte in dem Pariser Vorort le Vésinet, nicht gerade in dessen bester Gegend, aber doch in einem recht hübschen Haus.
    Das Telegramm des Ministeriums der bewaffneten Streitkräfte war eines Tages gegen Ende des Jahres 1959 zum Frühstück gebracht worden. Es besagte, daß der Minister es unendlich bedaure, Madame und Monsieur Dumas vom Tod ihres Sohnes Jean-Claude, Soldat im Ersten Kolonialen Fallschirm Jägerregiment in Algerien, Mitteilung machen zu müssen. Seine persönliche Habe werde der schwergetroffenen Familie so rasch wie möglich übersandt werden.
    Eine Zeitlang war Jacquelines private Welt wie zerstört. Nichts mehr schien einen Sinn zu haben - weder die stille Geborgenheit im Schoß der Familie in le Vésinet noch das Geplauder der anderen Mädchen im Schönheitssalon über den Charme Yves Montands oder le Rock, den jüngst aus Amerika importierten Modetanz. Das einzige, was ihr wie eine sich ewig um dieselbe Spule drehende Bandaufnahme im Kopf herumging, war der Gedanke daran, daß der kleine Jean-Claude, ihr so verletzliches und sanftes geliebtes Brüderchen, das Krieg und Gewalttätigkeit immer gehaßt und sich nichts sehnlicher gewünscht hatte, als mit seinen Büchern allein gelassen zu werden, in einem Gefecht irgendwo in einem gottverlassenen algerischen wadi erschossen worden war. Sie begann zu hassen. Es waren die Araber, die widerwärtigen, dreckigen und feigen »melons«, die ihr das angetan hatten.
    Dann war François gekommen. Ganz plötzlich war er eines Morgens an einem Sonntag im Winter erschienen, als die Eltern das Haus verlassen hatten, um Verwandte zu besuchen. Es war im Dezember gewesen, Schnee hatte

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