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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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ertragen. Weil er nichts mit den Worten seines Sohnes anfangen konnte und sich auch nicht die Mühe machte, sie zu verstehen, stand er einfach nur am Fenster und drosch Phrasen. »An dem Tag waren die Götter dir hold«, sagte er. »Deine Mutter kann nicht es nicht fassen, dass
wir dich beinahe verloren hätten«, »Sie haben uns gesagt, dass es anfangs Spitz auf Knopf stand«, oder »Das ist wirklich das Wahnsinnigste, was mir je passiert ist«.
    Meistens stellte Acland sich schlafend, weil er auf »Daumen hoch, Daumen runter« keine Lust hatte. Er hielt sich für keinen Glückspilz und sah nicht ein, warum er für irgendetwas dankbar sein sollte. Mit sechsundzwanzig hatte er sein ganzes Leben noch vor sich, aber so hatte er es sich sicher nicht vorgestellt. Jedes Mal, wenn sein Vater von der Zukunft sprach, wurde ihm kalt vor Angst.
    »Die Armee bietet Umschulungsprogramme an, Charles. Was hältst du von dem landwirtschaftlichen Studiengang? Wäre doch nicht schlecht, auf Kosten des Steuerzahlers was dazuzulernen.«
    Acland starrte die Wand an.
    »War nur so ein Gedanke. Deine Mutter möchte dich am liebsten zu Hause haben. Sie meinte, wir könnten dich im Anbau unterbringen. Dort wärst du für dich.«
    Acland graute bei der Vorstellung. Er duldete seine Mutter im Zimmer, weil es nicht anders ging, aber gegen ihre Berührung wurde er zunehmend empfindlicher. Er verschränkte die Arme, wenn sie seine Hand streicheln wollte, und fragte sich, was man ihr über seinen Zustand gesagt hatte. Glaubte sie im Ernst, er müsste wie ein Kind behandelt werden? Dabei hatte sie ihn selbst als Kind nie gestreichelt. Zärtlichkeitsbekundungen hatte es in der Familie Acland nicht gegeben.
    Erlöst wurde er nur, wenn die Ärzte kamen und seine Eltern das Zimmer verlassen mussten. Er schätzte den Chirurgen, Dr. Galbraith, der seine Verletzungen mit ihm durchsprach und ihm offen sagte, was er die kommenden Monate zu erwarten hatte. Galbraith erklärte ihm, dass seine linke Gesichtshälfte schwer verletzt war, dass er infolge der Splittereinwirkung enorm viel Weichgewebe verloren hatte und sein Auge nicht mehr zu retten war. Dennoch habe die Wiederherstellungschirurgie im letzten
Jahrzehnt dank mikrovaskulärer Techniken und Gewebeexpander enorme Fortschritte gemacht, und das chirurgische Team könne in seinem Fall recht viel ausrichten.
    Galbraith warnte Acland, dass vielleicht Monate nötig sein würden, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Diese Operationen könnten bis zu vierzehn Stunden dauern; der Patient brauche wochenlange Erholungszeiten zwischen den Operationen; zusätzliche Spezialisten, etwa aus der Neurochirurgie oder Augenheilkunde, würden eventuell hinzugezogen werden müssen. Ziel des Teams sei es, die Nervenfunktion so gut wie möglich zu erhalten und die Entnahmestelle für das Gewebe so zu wählen, dass kein Unterschied zwischen Transplantat und Gesichtshaut erkennbar sei, insbesondere bei der Wiederherstellung des Lids und der Orbita zum Anpassen des Kunstauges.
    Der Chirurg wartete auf eine Reaktion, erhielt aber keine. »Ich hoffe, dass Sie das ein wenig beruhigt, Charles«, sagte er. »Ich weiß, da gibt es viel auf einmal zu verarbeiten, aber insgesamt können wir optimistisch sein. Wenn Ihnen das Sprechen wieder leichter fällt, dürfen Sie mir so viele Fragen stellen, wie Sie wollen.« Er bot Acland die Hand. »Darauf freue ich mich.«
    Acland ergriff die Hand und hielt sie fest, um den Mann zum Bleiben zu zwingen. Er wollte sagen, Wieso brauche ich einen Neurochirurgen?, aber das war zu schwierig auszusprechen. Also berührte er nur mit der freien Hand seinen Kopf und fragte: »Gehirn okay?«
    Galbraith nickte. »Soweit wir feststellen können, ja.«
    Er ließ die Hand des Mannes los. »Warum kann ich mich nicht er-inn-ern?«
    »Weil Sie drei Tage lang ohne Bewusstsein waren und Gedächtnisverlust bei traumatischen Kopfverletzungen ein häufig auftretendes Symptom ist. Haben Sie Schwierigkeiten zu verstehen, was mit Ihnen gesprochen wird?«
    »Nein.«
    »Sie machen mir auch nicht den Eindruck. Dr. Willis meinte,
Sie seien äußerst wach für jemanden, der drei Tage bewusstlos war. Erinnern Sie sich an Ihr Gespräch mit ihm?«
    »Ja.«
    »Erinnern Sie sich an die Einzelheiten, die er Ihnen über den Anschlag erzählt hat?«
    »Ja.«
    Galbraith lächelte. »Dann brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Schlimm ist der Verlust des Kurzzeitgedächtnisses. Die Betroffenen haben größte Mühe,

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