Der Schatten des Highlanders
ihre Hand und zog sie wieder in den Raum. »Kommen Sie zum Feuer zurück, Sunshine, und essen Sie. Wenn Sie bei den Leckereien, die Ihnen Madame Gies zubereitet hat, nicht beherzt zugreifen, dann werden Sie hier nicht lebend rauskommen.«
Sunny nickte, obgleich sie so aussah, als sei sie bereit, beim geringsten Anlass wieder loszuspurten. Er wartete, bis sie sich gesetzt hatte, nahm dann selber wieder Platz und konzentrierte sich aufs Essen, damit sie Zeit hatte, sich zu entspannen, und er, zu verdauen, wie sie ihn genannt hatte.
Es war schon so lange her, dass ihn jemand mit diesem Namen gerufen hatte, und ihn zu hören, hatte ihn tief aufgewühlt.
Aber es hatte sicher nichts zu bedeuten. Es war vermutlich nur ein Versprecher gewesen.
Und plötzlich tauchte wieder dieses Bild einer Frau, die in einem langen, fließenden schwarzen Rock in Moraigs Haus stand, vor seinem inneren Auge auf.
Aber das war nicht das einzige Merkwürdige. Woher kannte Sunny die baulichen Gegebenheiten seiner Burg in früheren Zeiten? Er wusste von keiner einzigen Darstellung seiner Burg außer den Bauplänen in seiner umfangreichen Privatbibliothek. Und wie hatte sie wissen können, dass er Geschwister hatte? Sie hatten überall verbreitet, dass er das einzige überlebende Kind eines entfernten Cousins von Alistair war, der mit seiner Frau vor 35 Jahren bei einem Brand ums Leben gekommen war.
Wie war sie überhaupt auf die Idee gekommen, ihn Cam zu nennen?
Eine Tasse wurde ihm in die Hand gedrückt.
»Trinken Sie etwas Tee. Sie sehen ganz blass aus.«
Genauso fühlte er sich auch. Er trank den Tee, den sie ihm gereicht hatte, und sah sie an. Sie wich seinem forschenden Blick geflissentlich aus und widmete sich ihrem Essen, dann wanderte ihr Blick wieder zur Tür. Er hätte sie gern gefragt, ob sie ... ja was denn? Ob sie ihn in einer anderen Zeit gekannt hatte?
Es klang vollkommen verrückt. Sie würde ihn ansehen, als hätte er den Verstand verloren, und dann würde sie endgültig die Flucht ergreifen. Er rieb sich mit den Händen übers Gesicht, um seinen gesunden Menschenverstand wiederzuerwecken, dann suchte er nach irgendeiner Betätigung. Er sah einen Schemel neben dem Kamin stehen, zog ihn mit dem Fuß heran und winkte Sunny herbei.
»Ich werde Ihnen die Haare kämmen.«
Sie schloss kurz die Augen, dann seufzte sie tief, rutschte auf den Knien zu dem Schemel und setzte sich.
Er postierte sich hinter ihr, wickelte ihr das Tuch vom Kopf, legte es beiseite und begann mit der Arbeit. Es war vielleicht das Angenehmste, das er seit Jahren getan hatte. Es lenkte ihn von seinen Grübeleien ab und gab ihm Gelegenheit, Sunshine Phillips in seiner Nähe zu haben, ohne ihr einen Anlass zur Flucht zu bieten. Er kostete die Situation so lange wie möglich aus, dann fuhr er ihr einfach mit den Fingern durchs Haar und bewunderte die üppige Lockenpracht. Sie erschauerte mehr als einmal. Und ihm erging es nicht anders.
Schließlich verschränkte er seine Arme über ihren Schultern und zog sie an sich. Er legte sein Kinn auf ihren Scheitel und schloss die Augen. Bei allen Heiligen, er war verloren. Ganz und gar verloren.
Was zum Teufel sollte er jetzt tun?
Er würde sein Leben später ordnen. Jetzt gab es für ihn nur eines. Er holte tief Luft, dann drehte er sie langsam um, bis sie ihn von Angesicht zu Angesicht gegenübersaß. Sie blickte mit ihren wunderschönen großen Augen zu ihm auf.
»Cameron ...«
Er schüttelte den Kopf, dann ließ er eine Hand unter ihre langen Haare gleiten und legte die andere an ihre Wange. Sie rührte sich nicht, entzog sich nicht, und sah ihn nur mit einer Art verzweifeltem Verlangen an. Etwas wie Hoffnung sprach aus ihrem Blick, wie bei ihrem Besuch bei Ian MacLeod, nur konnte er den Ausdruck diesmal besser deuten, da er das Gleiche empfand.
Er lächelte, dann schloss er die Augen und senkte den Kopf, um sie zu küssen ...
Neben seinem Ellbogen schrillte plötzlich das Telefon.
Cameron schrak so heftig auf, als ob er aus einem Traum gerissen würde. Er stieß einen unterdrückten Fluch aus, dann griff er nach dem Hörer auf dem Tisch neben sich.
»Ja?«, bellte er in den Hörer.
»Das heißt Hallo, Mac. Hallo.«
Er seufzte. »Hallo, Penelope.«
Sunny stand auf und ging zur Tür. Er legte die Hand über den Hörer. »Warten Sie ...«
Sie sah ihn fassungslos an, schüttelte den Kopf und ging schnurstracks hinaus.
»Mac? Mac, du hörst mir gar nicht zu!«
»Was willst du, Penelope?«, fragte er
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