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Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Alfa mit Münchner Nummer, eine Frau saß am Steuer, zwei Fahrgäste auf den Rücksitzen.
    Der Polizeifunk spuckte Krach. Rösner meldete sich.
    Gaby Häuptl von der Einsatzleitung der Autobahnpolizei Memmingen meldete, dass sie eine Ringfahndung habe. »Ausbruch aus der JVA Mariazell. Personenbeschreibung folgt.«
    »Der wird grad hier auf der Autobahn sein«, sagte Kubitschek.
    »Und ich sag’ dir, dass die Karre nicht rund läuft«, sagte Rösner. »Wetten, dass du nicht einmal den Alfa da vorne mehr erwischst?« Vor ihnen tauchte die Ausfahrt Marktoberdorf auf.
    »Leck mich«, sagte Kubitschek friedfertig und setzte den Blinker. »Wir fahren jetzt raus. Ich hab’ nämlich Hunger.«
     
    Maugg war nicht mehr zu helfen gewesen. Sie hatten ihn inzwischen schon eingesargt, Pecheisen gab Zürn die Hand. »Wir alle haben einen tüchtigen Kollegen verloren,« sagte er und wischte sich mit der linken Hand über die Augen. »Aber Sie, lieber Zürn, trauern jetzt auch um einen Freund.«
    »Ich danke Ihnen«, sagte Zürn mit tonloser Stimme. Genauso war es auch, dachte er sich. Maugg war sein Freund gewesen. Einer, auf den man sich verlassen konnte. Bis zuletzt.
     
    Der Alfa hatte kurz vor Starnberg die Autobahn verlassen. Thalmann dirigierte Sibylle über kleine Landstraßen an Hügeln und Weilern vorbei. Auf seinen Knien hatte er eine Straßenkarte aufgeschlagen und studierte sie mit Hilfe einer kleinen Taschenlampe; die Karte und die Lampe hatte ihm Sibylle aus dem Handschuhfach geben müssen. Auf den Feldern lag noch Schnee, die Wege waren frei. Vor einer Waldeinfahrt ließ Thalmann halten.
    »Biegen Sie hier ein«, verlangte er dann.

    »Ich weiß nicht, ob das klug ist«, sagte Sibylle tapfer. »Der Wagen könnte stecken bleiben. Und ich weiß nicht, was Sie in dem Wald mit uns vorhaben.«
    »Wir verhandeln hier nicht«, sagte Thalmann. »Sie werden zurückstoßen. Sie werden nicht stecken bleiben. Sie werden alles tun, was ich Ihnen sage.«
    Sibylle fuhr an. Der Weg war gekiest, links und rechts standen Fichten. Der Weg wurde enger, fast zugewachsen. Aber es ging immer weiter. Sibylle hatte nicht auf den Tacho gesehen. Zweige schlugen links und rechts gegen die Karosserie. Es begann dunkel zu werden. Ab und an kamen sie an eingezäunten Lichtungen vorbei. Niemand würde hier ihre Leichen finden, dachte Sibylle. Dann traten die Bäume zurück. Sie waren auf einer Kreuzung mit mehreren Waldwegen.
    »Wenden Sie«, verlangte Thalmann. Sibylle tat es.
    »Stopp«, sagte er dann. »Ziehen Sie Ihre Schuhe aus, alle beide.« Dann befahl er ihnen auszusteigen. »Die Schuhe bleiben im Wagen.«
    Barfuß knickte Elisabeth auf dem Kiesboden ein. Sibylle sah den Rücklichtern des Alfa nach, der im Wald verschwand. Immerhin leben wir noch, dachte sie dann.
     
    Tamar war mit Carola Tiefenbach zur Pathologie gefahren. Im Untergeschoss nahm ein Mann in einem grünen Laborkittel die beiden Frauen in Empfang. Er hatte ein rundes rosiges Gesicht mit traurigen dunklen Augen. Offenbar hatte er sie erwartet, und begrüßte sie mit einem würdigen, aber wortlosen Nicken. Was sollte er im Leichenschauhaus auch sagen, überlegte Tamar. Guten Tag? Oder ein schwäbisch-ländliches Grüß Gott? Wer hierher kam, hatte keinen guten Tag. Bastian  – Dr. Bastian Burgmair – hatte ihr einmal erzählt, dass der Wärter der Leichenhalle vor den Krankenschwestern gerne Vorträge über die Wiedergeburt des Menschen hielt. Es wurde sogar behauptet, dass er das auch vor den Besuchern tue, die einen Toten identifizieren sollten.

    Der Wärter geleitete sie durch einen Gang, dessen eine Seite mit Metallschränken voll gestellt war. Tamar und Carola Tiefenbach traten in einen fensterlosen, aber hell erleuchteten und gekachelten Raum. Der Mann ging zu einer Seitenwand, die in Fächer unterteilt war, und zog eines davon auf. Auf einer Bahre wurden die Umrisse einer Gestalt sichtbar, die mit einem weißen Tuch zugedeckt war. Der Mann warf einen prüfenden Blick auf Carola Tiefenbach. Dann schlug er das Tuch zurück. Das Kunstlicht fiel hell und sachlich auf ein wächsernes bleiches Gesicht. Es war das, was von Heinz Tiefenbach geblieben war.
    »Ich weiß nicht, ob ich ihn so in Erinnerung behalten will«, sagte Carola Tiefenbach.
    »Aber er ist es?«, fragte Tamar. Die Frau nickte. Tamar gab dem Wärter einen kurzen Wink. Er deckte den Toten wieder zu. Dann sah er die beiden Frauen fragend an.
    Tamar warf einen Blick zurück, in den sie alle Eiseskälte

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