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Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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legte, die sie gerade aufbringen konnte. Du fängst hier nicht von der Wiedergeburt an, mein Freund, oder ich steck’ dich in einen von deinen Leichenbehältern, dachte sie.
    Der Wärter nickte betrübt mit dem Kopf und schob die Bahre zurück.
     
    Anton Pilchmayer, Landwirt in Waldmoching, befestigte die Plane auf dem Anhänger, den er mit Buchenscheiten voll geladen hatte. Er sollte sie noch am Abend nach Fürstenfeldbruck bringen, zu einem aus München zugezogenen Wirtschaftsanwalt. Der wollte das Holz für seinen Kamin. Dass man die Buchenscheite noch mindestens ein Jahr im Trockenen liegen lassen sollte, hatte Pilchmayer dem Kunden nicht eigens mitgeteilt.
    Die Leut’ aus München sind eh so gescheit, dachte er. Die werden selber wissen, wie sie heizen müssen.
    Es war wieder kälter geworden. Pilchmayer zog seine Handschuhe an und kletterte in seinen Deere-Lanz. Er ließ
den Motor vorglühen. Dann zog er den Starter. Rumpelnd lief der Diesel an.
     
    Im Ulmer Neuen Bau unterschrieb Carola Tiefenbach das Protokoll, das die junge Kriminalbeamtin in einen PC eingegeben und dann hatte ausdrucken lassen.
    Ein älterer mittelgroßer Mann war dazugekommen und ihr als Leiter des Dezernats vorgestellt worden. Er hatte sie nach den letzten Monaten im Leben ihres früheren Mannes gefragt. Ihr fiel auf, wie der Mann sie ansah. Es war ein sehr direkter Blick. »Ich weiß aus dieser letzten Zeit fast gar nichts über ihn«, antwortete sie nach einigem Zögern. »Wir waren uns doch sehr fremd geworden. Ich glaube, zuletzt hat er zu viel getrunken.«
    »Warum glauben Sie das?«
    »Ich habe es ihm angesehen«, sagte sie. »Einige Male haben wir uns noch getroffen und uns zu einem Kaffee zusammengesetzt. Dabei ist es mir aufgefallen. Die Augen waren anders als früher. Und seine Hände waren zittrig geworden.«
    »Von neuen Bekannten oder einer neuen Beziehung hat er Ihnen nichts erzählt?«
    »Nein. Ich bin auch fast sicher, dass da nichts war. Einmal hat er mir gesagt, er wolle nur noch wissen, wie sich alles zugetragen hat.«
    »Wie hat er das gemeint? Politisch?«
    »Er hat sein Leben gemeint«, antwortete Carola Tiefenbach. »Wo er herkommt. Was falsch gelaufen ist. Warum einer 52 Jahre alt wird und nichts in Händen hat.«
    Nach einer Pause fügte sie hinzu: »Ich will sagen, ich weiß es nicht.«
     
    Westwind trieb aufgetürmte graue Wolkengebirge über die Hügel und Wälder. Anton Pilchmayer fror auf seinem holpernden Deere-Lanz. Um sich zu trösten, dachte er an den »Specht-Bräu«. Später am Abend würde er dort einkehren.
Verdient hatte er es sich. Ein paar Runden Schafkopf liefen immer im »Specht«.
    Vorne stolperten zwei Gestalten über die Waldstraße. B’suffa, dachte Pilchmayer. Betrunkene waren hier und zu dieser Jahres- und Tageszeit eigentlich eher selten.
    Dann sah er, dass es Frauen waren. Das war noch seltener. Stadtweiber! Man kannte sich wirklich nicht aus mit ihnen.
    Die eine baute sich mitten auf der Straße auf und winkte. Sie hatte keine Schuhe an und sah auch sonst aus, als ob sie nicht mehr weit käme.
    Pilchmayer nahm den Gang heraus. Blubbernd kam der Deere-Lanz zum Stehen.

Dienstag, 27. Januar, 19 Uhr
    »Eine sympathische Frau«, stellte Berndorf fest. Tamar sagte nichts. Offenbar ist er doch nicht nur von seiner Barbara ansprechbar, dachte sie dann. Sie hatte Carola Tiefenbach in ihr Hotel gebracht und ihr versprochen, sie am nächsten Vormittag zurück zum Flughafen Stuttgart-Echterdingen zu bringen. »Unsere Ermittlungen bringt das aber nicht sehr weiter«, bemerkte sie schließlich streng. Mal gucken, dachte sie, ob er sich provozieren lässt.
    »Wie Sie meinen«, sagte Berndorf ergeben. »Ich habe übrigens vergessen, die Frau danach zu fragen, was Tiefenbach eigentlich genau gemacht hat. Was heißt und zu welchem Ende studiert man Bahningenieur-Wissenschaften?«
    »Tiefenbach hat Eisenbahnwaggons konstruiert«, antwortete Tamar. »Die Bahnwerke waren bis zur Wende einer der wichtigsten Arbeitgeber in Görlitz. Hat sie mir jedenfalls erklärt.«
    »Und Sie meinen, dass uns das weiterbringt?«
    Tamar schwieg gekränkt.
    »Kein Motiv, kein erkennbarer Bezug zu Ulm, kein Hinweis
auf eine Gelegenheit – das alles ist ein wenig deprimierend«, fasste Berndorf zusammen. Dann warf er Tamar einen auffordernden Blick zu. »Sie haben keine Idee?«
    »Vielleicht müssten wir an der Methode ansetzen«, antwortete Tamar. »Wenn ich das richtig verstanden habe, was Sie von Kovacz erzählt

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