Der Schatten erhebt sich
Einer der Verlorenen. Ein Mann natürlich. Ein Mann, der im Zeitalter der Legenden zu den Aes Sedai gehört hatte, der wußte, wie man mit der Macht umging, der wußte, wie man mit Schwierigkeiten fertig wurde, der... Was war ihm nicht schon alles angeboten worden. »Nein! Selbst wenn man mir das anböte, würde ich ablehnen. Warum sollte ich so etwas annehmen? Ich bekämpfe sie schließlich - und dich auch. Ich hasse alles, was ihr getan habt, alles, wofür ihr steht.« Narr! dachte er. Hier sitze ich in der Falle und führe große Reden, ohne daran zu denken, daß diejenige, die mich gefangenhält, so wütend werden könnte, daß sie mir etwas antut. Aber er konnte sich einfach nicht zum Schweigen bringen oder die Worte zurücknehmen. Starrköpfig machte er weiter und alles noch schlimmer: »Ich werde euch vernichten, wenn ich kann. Dich und den Dunklen König und alle anderen Verlorenen!« In ihren Augen blitzte es gefährlich auf und verschwand wieder. »Weißt du, warum einige von uns dich so fürchten? Hast du eine Ahnung, warum? Weil sie Angst haben, daß der Große Herr der Dunkelheit dir einen Platz über ihnen zuweisen wird.« Rand überraschte sich selbst mit einem Auflachen. »Der Große Herr der Dunkelheit? Kannst selbst du seinen wirklichen Namen nicht aussprechen? Du fürchtest doch wohl nicht, daß er dadurch auf dich aufmerksam wird, so wie die anständigen Leute, oder?« »Es wäre Blasphemie«, gab sie ihm einfach zur Antwort. »Sie haben recht mit ihrer Angst, Sammael und die anderen. Der Große Herr will dich tatsächlich haben. Er will dich über alle anderen Menschen stellen. Das sagte er mir.« »Das ist lächerlich! Der Dunkle König ist immer noch im Shayol Ghul gefangen, sonst würde ich jetzt bestimmt in Tarmon Gai'don kämpfen. Und falls er überhaupt weiß, daß ich existiere, wünscht er meinen Tod. Ich habe vor, ihn weiterhin zu bekämpfen.« »Oh, er kennt dich. Der Große Herr weiß mehr, als du vermutest. Und es ist durchaus möglich, mit ihm zu sprechen. Geh zum Shayol Ghul in den Krater des Verderbens, und du kannst... ihn hören. Du kannst... seine Gegenwart genießen.« Nun leuchtete etwas anderes aus ihrem Gesicht: Ekstase. Sie atmete durch halbgeöffnete Lippen und schien einen Augenblick lang etwas Fernes und Wunderbares zu sehen. »Das kann man ganz und gar nicht mit Worten beschreiben. Du mußt es erleben, um es zu verstehen. Du mußt!« Sie kehrte zurück und nahm wieder sein Gesicht wahr. Ihre Augen waren groß und dunkel und blickten intensiv in seine. »Knie vor dem Großen Herrn nieder, und er wird dich über alle anderen erheben. Er wird dir Freiheit lassen, so zu regieren, wie du willst, solange du auch nur einmal dein Knie vor ihm beugst. Ihn anerkennst. Nicht mehr als das. Er hat es mir gesagt. Asmodean wird dir beibringen, die Macht zu lenken, ohne in Gefahr zu geraten, daß du dich damit selbst umbringst, und wird dir zeigen, was du damit alles vollbringen kannst. Laß mich dir helfen. Wir können die anderen vernichten. Dem Großen Herrn wird das gleich sein. Wir können sie alle vernichten, auch Asmodean, wenn er dir alles beigebracht hat, was du wissen mußt. Du und ich, wir können gemeinsam die Welt unter dem Großen Herrn regieren - für immer und ewig.« Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern, das zugleich von Gier und Angst erfüllt schien: »Ganz kurz vor dem Ende wurden zwei große SaAngreal hergestellt. Den einen kannst du benützen und ich den anderen. Sie sind viel mächtiger als dieses Schwert. Ihre Macht ist unvorstellbar. Mit ihrer Hilfe könnten wir sogar... den Großen Herrn selbst bedrohen. Selbst den Schöpfer!« »Du bist wahnsinnig«, sagte er, von ihren Worten abgestoßen. »Der Vater der Lügen behauptet, er werde mich in Freiheit lassen? Ich wurde geboren, um ihn zu bekämpfen. Deshalb bin ich hier - um die Prophezeiungen zu erfüllen. Ich werde gegen ihn kämpfen und gegen euch alle, bis hin zur Letzten Schlacht! Bis zu meinem letzten Atemzug!« »Aber das mußt du nicht! Prophezeiungen sind nicht mehr als der in geheimnisvollen Worten ausgedrückte Wunsch der Menschen. Wenn du die Prophezeiungen erfüllst, zwingst du dich damit nur auf einen Weg, der zu Tarmon Gai'don und letztendlich zu deinem Tod führt. Moghedien oder Sammael können deinen Körper vernichten. Der Große Herr der Dunkelheit kann deine Seele vernichten. Das wäre dein vollständiges und endgültiges Ende. Du würdest nie mehr wiedergeboren, gleich, wie oft sich
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