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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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von der Wahrheit entfernt.
    Der Myrddraal glitt auf ihn zu, und Rand sprang über die Toten vor der Tür hinweg ihm entgegen. Seine Stiefel rutschten auf dem blutverschmierten, schlüpfrigen schwarzen Marmorboden weg. »Für den Stein von Tear!« schrie er beim Vorwärtsspringen. »Der Stein widersteht!« Das waren die Kampfrufe, die er in jener Nacht gehört hatte, als der Stein ihnen nicht widerstehen konnte.
    Er glaubte, von dem gerade verlassenen Raum her den gedämpften Ruf: »Narr!« zu hören, aber er hatte jetzt keine Zeit, nach Lanfear zu sehen oder sich darum zu kümmern, was sie vorhatte. Das Ausrutschen kostete ihn beinahe das Leben. Als er um sein Gleichgewicht kämpfte, konnte er gerade noch mit seinem rotgoldenen Schwert die schwarze Klinge des Myrddraal abwehren. »Für den Stein von Tear! Der Stein widersteht!« Er mußte die Verteidiger zusammenhalten, damit er nicht allein dem Myrddraal und zwanzig Trollocs gegenüberstand. »Der Stein widersteht!« Er hörte, wie jemand seine Worte wiederholte: »Der Stein widersteht!« Und dann fiel ein weiterer ein: »Der Stein widersteht!« Der Blasse bewegte sich schlangengleich, und dieser Eindruck noch von den schwarzen Schuppen seines Brustpanzers wurde verstärkt. Doch nicht einmal eine schwarze Viper konnte so schnell zuschlagen. Eine Weile lang war Rand nur mit Mühe in der Lage, sich der schwarzen Klinge zu erwehren, damit sie seine ungeschützte Haut nicht traf. Dieses schwarze Metall würde Wunden schlagen, die nicht zuheilten, die eiterten und schmerzten wie jene Wunde, die er an der Seite trug. Jedesmal, wenn der dunkle Stahl, der in Thakandar im Schatten des Shayol Ghul geschmiedet worden war, auf die rotgoldene Klinge traf, die er mit Hilfe der Macht erschaffen hatte, blitzte es im Raum wie bei einem Gewitter auf. Das grelle Blauweiß tat den Augen weh. »Diesmal wirst du sterben!« Die Stimme des Myrddraal hörte sich an wie knisternd zerbröckelnde abgestorbene Blätter im Spätherbst. »Ich werde dein Fleisch den Trollocs zum Fressen geben, und deine Frauen werden mir gehören.« Rand kämpfte so kaltblütig und gleichzeitig verzweifelt wie noch nie. Der Blasse wußte mit seinem Schwert umzugehen. Dann kam jedoch ein Moment, in dem er mit Wucht das Schwert des anderen treffen konnte und nicht nur dessen Schlag abgleiten ließ. Es zischte, als fiele Eis auf geschmolzenes Metall, und die rotgoldene Klinge durchschnitt die schwarze. Sein nächster Schlag trennte den augenlosen Kopf von den Schultern. Der Schlag, mit dem er den Knochen des Myrddraal durchhackte, fuhr ihm selbst gewaltig in den Arm. Blut schoß wie ein Tintenstrahl aus dem Halsstumpf des Blassen. Trotzdem fiel das Ding noch nicht. Es fuchtelte wild mit dem Schwertstumpf herum, und so taumelte die kopflose Gestalt durch den Raum und hieb Löcher in die Luft.
    Als der Kopf des Blassen fiel und über den Boden rollte, stürzten auch die übriggebliebenen Trollocs, kreischten, zuckten und rissen mit ihren fellbedeckten Händen an ihren Haaren oder Federn. Das war eine Schwäche der Myrddraal und Trollocs: Obwohl die Myrddraal den Trollocs nicht trauten, waren sie auf irgendeine Art mit ihnen verbunden, die Rand nicht verstand. Es schien die Trollocs an die Myrddraal zu binden, zur absoluten Loyalität zu zwingen, aber wenn der Blasse starb, überlebten ihn seine Trollocs nicht lange.
    Die noch im Kampf befindlichen Verteidiger, weniger als zwei Dutzend, zögerten nicht. Zu zweit oder zu dritt stürzten sie sich auf die Trollocs und stachen mit ihren Speeren zu, bis sie sich nicht mehr rührten. Ein paar von ihnen hatten auch den kopflosen Myrddraal zu Fall gebracht, aber der schlug immer noch wild um sich, gleich, wie oft sie zustießen. Als die Trollocs still waren, hörte man das Stöhnen und Weinen der wenigen verwundet überlebenden Menschen. Immer noch lagen mehr Menschen als Schattenwesen auf dem Boden. Der schwarze Marmor war schlüpfrig vom Blut, das sich farblich kaum von dem dunklen Stein abhob.
    »Laßt es sein«, sagte Rand zu den Verteidigern, die sich abmühten, den Myrddraal endgültig zu töten. »Es ist schon tot. Blasse wollen einfach nicht zugeben, daß sie tot sind.« Das hatte ihm Lan gesagt, vor, wie es schien, langer Zeit. Er hatte schon öfters den Beweis dafür gesehen. »Kümmert euch um die Verwundeten.« Sie blickten nervös die kopflose Gestalt an, deren Torso von klaffenden Wunden übersät war, schauderten und zogen sich zurück, wobei sie irgend etwas

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