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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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für den Preis, den er zahlen muß.
    Aber wenn die Reiher seine Echtheit bewiesen, wozu dann noch die Drachen? Und überhaupt, was war mit diesen Drachen gemeint? Der einzige Drache, von dem er bisher gehört hatte, war Lews Therin Telamon. Lews Therin Brudermörder war der Drache gewesen. Der Drache war der Brudermörder. Und nun war er selbst in dieser Lage. Aber er konnte ja schlecht mit sich selbst gezeichnet sein. Vielleicht war das Bild auf der Flagge der eine dieser Drachen, aber nicht einmal die Aes Sedai schienen genau zu wissen, was dieses Geschöpf genau darstellen sollte.
    »Du hast dich geändert, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe. Du bist stärker. Härter.« Er fuhr herum und starrte die junge Frau an, die an der Tür stand. Ihr dunkles Haar und die dunklen Augen stachen von der blassen Haut ab. Sie war hochgewachsen und ganz in Weiß und Silber gekleidet. Nun zog sie eine Augenbraue hoch, als sie die halbgeschmolzenen Klumpen Gold und Silber auf dem Kaminsims erblickte. Er hatte sie dort gelassen, damit sie ihn daran erinnerten, was geschehen konnte, wenn er gedankenlos handelte und die Beherrschung verlor. Es war ihm eine Lehre gewesen.
    »Selene!« Er schnappte nach Luft und eilte zu ihr hinüber. »Woher kommst du? Wie bist du hier hereingekommen? Ich glaubte, du seist immer noch in Cairhien oder...« Er blickte auf sie hinunter und wollte nicht mehr aussprechen, er habe gefürchtet, sie sei tot oder unter den verhungernden Flüchtlingen. Ihre schlanke Taille wurde von einem aus Silberfäden gewebten Gürtel umschlossen. Silberne Kämme mit eingravierten Sternen und Mondsicheln glänzten in ihrem Haar, das ihr wie ein Wasserfall der Nacht über die Schultern fiel. Sie war immer noch die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Ihr gegenüber waren Elayne und Egwene bestenfalls hübsch zu nennen. Doch aus irgendeinem Grund berührte sie ihn nicht so wie früher. Vielleicht lag es an den langen Monaten, die seit ihrem letzten Zusammentreffen vergangen waren, damals in einem Cairhien, das noch nicht vom Bürgerkrieg zerrissen war.
    »Ich gehe, wohin immer ich gehen will.« Sie runzelte die Stirn. »Du wurdest gezeichnet, aber das ist gleich. Du gehörtest mir, und du gehörst mir. Jede andere ist lediglich eine Art von Kindermädchen, dessen Zeit vorüber ist. Ich werde von nun an offen beanspruchen, was mein ist.« Er sah sie mit großen Augen an. Gezeichnet? Meinte sie damit seine Hände? Und was sollte das bedeuten - er gehöre ihr? »Selene«, sagte er mit sanfter Stimme, »wir haben schöne Tage miteinander verbracht - und schwere Tage. Ich werde deinen Mut und deine Hilfe nicht vergessen, aber zwischen uns war nie mehr als Kameradschaft. Wir sind miteinander durch das Land gezogen, aber das war auch alles. Du wirst hier im Stein bleiben, bekommst die schönsten Gemächer, und wenn in Cairhien wieder Friede herrscht, werde ich dafür sorgen, daß du deine Güter dort zurückbekommst, falls es möglich ist.« »Du bist wirklich gezeichnet.« Sie lächelte verschmitzt. »Güter in Cairhien? Ich habe vielleicht einst Güter in diesen Ländern besessen. Die Erde hat sich derart verändert, daß nichts mehr so ist wie einst. Selene ist nur ein Name, den ich manchmal benutze, Lews Therin. Der Name, den ich wirklich für mich erwählte, ist Lanfear.« Rand lachte gezwungen. »Ein müder Scherz, Selene. Ich würde weder über den Dunklen König noch über einen der Verlorenen Witze reißen. Und außerdem heiße ich Rand.« »Wir nennen uns die Erwählten«, sagte sie gelassen. »Dazu erwählt, die Welt für ewig zu regieren. Wir werden wirklich ewig leben. Das kann auch für dich gelten.« Er musterte sie mit besorgter Miene. Glaubte sie tatsächlich, sie sei... ? Die Anstrengungen ihrer Reise nach Tear mußten sie nervlich zerrüttet haben. Doch sie wirkte auf ihn keineswegs verrückt. Sie war ruhig, kühl und selbstbewußt. Ohne nachzudenken, griff er nach Saidin. Er griff danach - und stieß gegen eine Mauer, die er weder sehen noch fühlen konnte, außer, daß sie ihn von der Quelle abschnitt. »Das kann doch nicht sein.« Sie lächelte. »Licht«, hauchte er, »du bist wirklich eine von ihnen!« Langsam wich er vor ihr zurück. Falls er Callandor erreichte, hätte er wenigstens eine Waffe in der Hand. Möglicherweise würde das Schwert in diesem Fall nicht als Angreal funktionieren, doch es war ja immer noch ein Schwert. Konnte er mit dem Schwert in der Hand auf eine Frau losgehen, auf

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