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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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sich um und blickte direkt in Nynaeves Augen. Ihre Blicke trafen sich einen langen Moment über. »Das hat er ja wunderbar gemacht«, sagte Elayne schließlich. »Vielleicht hat er auch noch das Schiff beschädigt? Und wie kommen wir dann nach Tanchico, wenn er nicht bald aufhört, mit sämtlichen Schiffen Ball zu spielen?« Licht, hoffentlich geht es ihm gut. Ich kann jetzt und hier nichts für ihn tun. Es geht ihm sehr gut.
    Nynaeve berührte ihren Arm beruhigend. »Bestimmt hat dein zweiter Brief bei ihm einiges ausgelöst. Die Männer zeigen immer Überreaktionen, wenn sie sich gehenlassen. Das ist der Preis dafür, daß sie ihre Gefühle ansonsten derart unter Kontrolle zu halten versuchen. Er mag ja der Wiedergeborene Drache sein, aber er muß lernen, was zwischen Mann und Frau... Was machen die denn hier?« ›Die‹ waren zwei Männer, die zwischen den geschäftigen Meerleuten an Deck standen. Der eine war Thom Merrilin in seinem Gauklerumhang mit Harfe und Flöte in ihren Lederbehältern auf dem Rücken und einem Bündel zu seinen Füßen neben einem schäbigen Holzkasten mit Vorhängeschloß. Der andere war ein hagerer, gutaussehender Tairener von mittleren Jahren, ein harter Mann mit dunklem Teint, der einen flachen, kegelförmig zulaufenden Strohhut und einen dieser ArmeLeute-Mäntel trug, der bis zur Hüfte eng anlag und darunter wie ein kurzer Rock weit ausgestellt war. Ein zerkratzter Schwertbrecher hing an dem Gürtel, den er über den Mantel geschnallt hatte, und er stützte sich auf einen Stab aus hellem, getreidehalmähnlichem Holz, der genauso hoch war wie er groß und kaum dicker als sein Daumen. Ein eckig verschnürtes Paket hing ihm an einer Schlaufe von der Schulter. Elayne kannte ihn: Er hieß Juilin Sandar.
    Es war offensichtlich, daß sich die Männer nicht kannten, obwohl sie beinahe Seite an Seite standen. Beide standen jedoch steif und förmlich da. Allerdings war ihre Aufmerksamkeit auf die gleichen Objekte gerichtet: Einerseits beobachteten sie die Segelherrin, wie sie zum Achterdeck marschierte, und andererseits spähten sie hinüber zu Elayne und Nynaeve. Die Blicke beider wirkten unsicher, doch verbargen sie es hinter einer Haltung, die wohl stolzes Selbstvertrauen ausdrücken sollte. Thom grinste und strich sich über den langen, weißen Schnurrbart, und dazu nickte er jedesmal, wenn sein Blick die beiden Frauen traf, während Sandar sich mehrmals ernst und würdevoll verbeugte.
    »Keinerlei Schäden«, sagte Coine, als sie die Leiter hochkam. »Wir können innerhalb einer Stunde absegeln, wenn es Euch recht ist. Sogar gut vor Ablauf einer Stunde, falls wir einen Lotsen aus Tear finden. Falls nicht, segle ich auch ohne einen ab, aber das würde bedeuten, daß ich nie nach Tear zurückkommen darf.« Sie folgte ihren Blicken zu den beiden Männern hinüber. »Sie bitten um Passage -der Gaukler nach Tanchico und der Diebfänger, wohin immer Ihr reist. Ich kann es ihnen nicht verweigern, und doch... « Ihre dunklen Augen blickten wieder Elayne und Nynaeve an. »Ich werde sie mitnehmen, wenn Ihr es wünscht.« Das Zögern, weil sie gegen ihre eigenen Bräuche handeln würde, war in ihrer Stimme zu spüren, und andererseits vielleicht auch... der Wunsch, ihnen zu helfen? Dem Coramoor zu dienen? »Der Diebfänger ist ein guter Mann, obwohl er eine Landratte ist. Nichts gegen Euch, beim Licht. Aber den Gaukler kenne ich nicht. Doch könnte ein Gaukler natürlich die Reise beleben und die Stunden der Erschöpfung erleichtern.« »Ihr kennt Meister Sandar?« fragte Nynaeve.
    »Zweimal schon hat er jene aufgespürt, die hier an Bord Diebstähle begingen, und er hat sie schnell gefunden. Eine andere Landratte hätte bestimmt länger dazu gebraucht, und er hätte für seine gute Arbeit mehr verlangen können. Es ist offensichtlich, daß auch Ihr ihn kennt. Möchtet Ihr, daß ich ihm die Passage verweigere?« Ihr Zögern war immer noch spürbar.
    »Zuerst wollen wir einmal feststellen, warum sie sich hier befinden«, sagte Nynaeve mit einer Stimme, die nichts Gutes für die beiden Männer verhieß.
    »Vielleicht sollte ich mit ihnen reden«, bot Elayne ihr sanft aber entschlossen an. »Dann kannst du sie beobachten und feststellen, ob sie etwas verbergen.« Sie verschwieg ihr, daß sie hoffte, auf diese Weise Nynaeves nächsten Wutausbruch vermeiden zu können, aber deren spöttisches Lächeln verriet ihr, daß sie die Absicht wohl erkannt hatte.
    »Also gut, Elayne. Ich werde sie beobachten.

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