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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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aus dem offenen Meer heranrollenden Wellen. Der Bug hob sich leicht und schnitt dann seinen Weg durchs Wasser. Seeleute kletterten in der Takelage herum, setzten weitere Segel, und das Schiff nahm Fahrt Richtung Südwest auf - weg vom Festland.
    Als der letzte dünne Streifen Landes unter dem Horizont verschwand, zogen die Meervolk-Frauen ihre Blusen aus. Alle - auch die Segelherrin und die Windsucherin. Elayne wußte vor Verlegenheit nicht, wo sie hinsehen sollte. Alle diese Frauen liefen halbnackt herum und kümmerten sich überhaupt nicht um die ganzen Männer in ihrer Umgebung. Juilin Sandar schien die gleichen Schwierigkeiten zu haben wie sie. Abwechselnd sah er mit großen Augen die Frauen an, und dann blickte er wieder verlegen auf seine Füße hinunter. Schließlich hatte er genug und begab sich beinahe im Laufschritt nach unten. Elayne ließ sich nicht auf diese Art vertreiben. Sie blickte statt dessen auf die See hinaus.
    Unterschiedliche Bräuche, machte sie sich selbst aufmerksam. Solange sie nicht von mir das Gleiche erwarten... Bei dem Gedanken hätte sie beinahe hysterisch gelacht. Irgendwie war es einfacher, sich die Schwarzen Ajah vorzustellen, als das. Unterschiedliche Bräuche. Licht!
    Der Himmel färbte sich rötlich. Die Sonne stand mattgolden am Horizont. Scharen von Delphinen begleiteten das Schiff, schossen elegant seitlich vorbei oder sprangen hoch aus dem Wasser, während sich weiter draußen ein ganzer Schwarm glitzernder, silberblauer Fische aus dem Meer erhob, auf weit gespreizten Flossen vielleicht fünfzig Schritt weit durch die Luft glitt, und dann in die schwellende graugrüne Flut zurückplatschte. Elayne beobachtete das erstaunt ein ums andere Mal, doch nach einer Weile blieben diese Fische schließlich aus.
    Dennoch, allein schon die Delphine mit ihren großen, schlanken Körpern waren erstaunlich genug. Sie bildeten die Ehrenwache, die den Wogentänzer dorthin zurückgeleitete, wohin sie gehörte. Sie hatte vorher nur in Büchern von ihnen gelesen. Man sagte, wenn sie einen Ertrinkenden fänden, brächten sie ihn gemeinsam ans Ufer zurück. Sie konnte das nicht ganz glauben, aber es war eine schöne Geschichte. So folgte sie ihnen an der Reling entlang zum Bug, wo sie in der Bugwelle spielten und sich immer wieder auf die Seite drehten, um zu ihr aufzublicken, ohne ihre Geschwindigkeit im Wasser zu verringern.
    Sie befand sich schon beinahe am Bugspriet, als sie entdeckte, daß dort bereits Thom Merrilin stand und ein wenig traurig auf die Delphine hinunterlächelte. Sein Umhang blähte sich wie eines der Segel im Wind. Er hatte sein Gepäck irgendwo abgeladen. So vertraut kam er ihr vor! »Seid Ihr unglücklich, Meister Merrilin?« Er blickte sie von der Seite her an. »Bitte nennt mich Thom, Lady Elayne.« »Also gut, Thom. Aber bitte nicht Lady Elayne! Hier bin ich nur einfach Frau Trakand.« »Wie Ihr wünscht, Frau Trakand«, sagte er mit einem angedeuteten Lächeln.
    »Wie könnt Ihr diesen Delphinen zusehen und trotzdem unglücklich sein, Thom?« »Sie sind frei«, murmelte er so, daß sie nicht sicher sein konnte, ob es eine Antwort auf ihre Frage sei. »Sie müssen keine Entscheidungen treffen und keinen Preis zahlen, haben keine Sorgen und machen sich höchstens Gedanken darüber, Fische zum Fressen zu fangen. Und über Haie und Löwenfische vielleicht. Und vielleicht noch über hundert andere Dinge, von denen ich nichts weiß. Nun, möglicherweise sind sie doch nicht so beneidenswert.« »Beneidet Ihr sie?« Er antwortete nicht, aber es war auch die falsche Frage gewesen. Sie mußte ihn wieder zum Lächeln bringen. Nein, zum Lachen. Aus irgendeinem Grund war sie sicher, sie werde sich daran erinnern, woher sie ihn kannte, wenn sie ihn nur zum Lachen brachte. So wechselte sie das Gesprächsthema und kam auf etwas, das ihm näherliegen sollte. »Habt Ihr vor, das Hohelied des Rand zu komponieren, Thom?« Das war eigentlich etwas für Barden und nicht für Gaukler, aber ein wenig Schmeichelei konnte nicht schaden. »Das Hohelied des Wiedergeborenen Drachen. Wißt Ihr, Loial will ein Buch darüber schreiben.« »Vielleicht werde ich das tun, Frau Trakand. Vielleicht. Aber weder meine Komposition noch Loials Buch werden auf lange Sicht etwas bewirken. Unsere Geschichten werden nicht überleben, jedenfalls über einen längeren Zeitraum. Wenn das nächste Zeitalter anbricht...« Er verzog das Gesicht und zupfte an einem seiner Schnurrbartenden. »Wenn man es bedenkt, liegt

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